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Die schwarze Hand des Todes

Titel: Die schwarze Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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ihnen das Gefühl, noch Teil der traditionellen Milchwirtschaft in den Bergen zu sein und nicht nur die anonyme Produktionseinheit eines riesigen kommerziellen Betriebs. Auch Leach war früher stolz auf seine Milch gewesen. Jetzt war sie ihm egal, vollkommen egal. Genauso gut hätte er sie in die Kanalisation oder in den nächsten Straßengraben kippen können.
    Der Junge, der ihm normalerweise beim Melken half, war weder gestern noch heute zur Arbeit erschienen, also hatte Leach alles allein machen müssen. Gary war einer von den Dawsons aus dem Moor. Die Dawsons taugten nicht viel, aber sie waren wenigstens eine alte Bauernfamilie. Nach einem Riesenkrach am Sonntagnachmittag, bei dem Leach die Beherrschung verloren und den Jungen als faulen Sack beschimpft hatte, hatte Gary ihm damit gedroht, nicht mehr zur Arbeit zu kommen. Und nun sah es ganz so aus, als ob es ihm damit ernst gewesen wäre.
    In gewisser Weise war es Leach sogar lieber, dass er weggeblieben war. Wenn er allein zurechtkommen musste, hatte er so viel zu tun, dass ihm keine Zeit zum Nachdenken blieb. Doch immer wenn der Milchtransporter wieder weg war, gab es nichts mehr, womit er sich ablenken konnte, keine wirklich dringenden oder eiligen Aufgaben. Wenn die Kühe nicht mehr muhten, wenn der Transporterfahrer nicht mehr auf die Hupe drückte, wenn seine Söhne in der Schule waren, dann erst wurde ihm bewusst, wie endlos der Tag war, der vor ihm lag.
    Aber an diesem Morgen bog statt des Transporters ein Pkw in die Hofeinfahrt ein, das erkannte er schon am Geräusch. Normalerweise klirrten die Scheiben des Farmhauses, wenn der schwere Laster mit dem Dieselmotor vorfuhr, und der Staub auf der Fensterbank wurde hochgewirbelt. Natürlich waren in den letzten beiden Tagen jede Menge Polizeiwagen an der Farm vorbeigekommen, aber sie waren immer auf dem Feldweg geblieben, vorne am Kuhstall vorbei.
    Eine böse Vorahnung schnürte Leach die Luft ab. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bevor die Männer kamen, vor denen er sich fürchtete.
    Der Farmer schaute auf seine Hände. Er wunderte sich über den Dreck, der so tief in den Poren saß, als hätte er sich seit Tagen nicht mehr gewaschen. Ob sie schon lange so aussahen? Er warf einen Blick auf den Stahlschrank, in dem er seine Schrotflinte verwahrte. Nun hätte ihn rechtschaffener Zorn überkommen müssen, die hitzige Kraft, sich gegen das Unvermeidliche aufzubäumen. Für einen Kerl wie ihn sollte es ein Klacks sein, mit einem Gerichtsvollzieher fertig zu werden, keine Frage. Doch er wartete vergeblich auf den Adrenalinstoß, der Testosteronschub blieb aus. Er fühlte sich schwach und hilflos, allein und in die Enge getrieben. Er hatte keinen Kampfgeist mehr. Das war genau das Ende, vor dem er sich immer gefürchtet hatte.
    Leach lachte leise, als die Männer durch das Tor kamen. »Du bist erledigt, Warren. Du bist zu gar nichts mehr nütze.« Er spielte mit dem Gedanken, nicht aufzumachen und sich in einem anderen Zimmer zu verkriechen, bis die Fremden wieder abgezogen waren. So etwas würde eine Frau tun, ein Kind. War er schon so tief gesunken?
    Der Antwort auf diese Frage konnte und wollte er sich nicht stellen. Wie gelähmt stand er da, bis es endlich an der Tür klopfte. Erst höflich, dann etwas ungeduldiger. Wie in Trance bewegte Leach sich hinüber. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was er sagen sollte. Wie gingen die Gerichtsvollzieher in solchen Fällen vor? Die Möbel würden sie wohl nicht gleich mitnehmen wollen, sonst wären sie sicher nicht mit dem Auto gekommen, sondern hätten einen Speditionswagen mitgebracht. Vielleicht wollten sie ihm einen Gerichtsbeschluss überbringen. Oder sich vergewissern, ob er überhaupt etwas besaß, was die Pfändung lohnte. Da konnten sie lange suchen. Bei ihm war nicht viel zu holen.
    Aber es waren gar keine Gerichtsvollzieher, es waren Polizisten. Den ersten erkannte Leach sofort, und ihn überkam das sonderbare Gefühl, dass es ungeheuer wichtige Dinge gab, die er unerledigt gelassen hatte. Jeden Tag hatte er den Einsatzfahrzeugen nachgeschaut, die über sein Land fuhren, hatte jedes Einzelne von ihnen verflucht, und doch hätte er zu gern erfahren, was sie im Ringham Moor eigentlich trieben und was sie über die Tote herausgefunden hatten. Wenn ihm doch nur jemand erklärt hätte, was da oben vor sich ging. Und nun standen die Polizisten vor seiner Tür, und er fand keine Worte.
    »Constable Cooper und Constable Weenink, Mr Leach. Wir hätten nur

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