Die schwarze Hand des Todes
kommen Sie mit.«
»Was?«
Aufgeregt zupfte er an Coopers Ärmel, wie ein junger Hund, der nach draußen will, um zu spielen. Owen lächelte bloß und nickte Stride wohlwollend zu.
»Gehen Sie ruhig mit«, sagte er. »Womöglich lernen Sie noch was.«
Keine zwei Minuten später kraxelte Cooper hinter Stride den Pfad hinauf, der aus dem Steinbruch hinausführte. Leise klirrte das improvisierte Mobile in der Birke. Ein Teil drehte sich aufblitzend in die Sonne, und Cooper konnte fast die Worte entziffern, die mit Filzstift auf die Silberfolie geschrieben waren.
Oben blieb Stride stehen und hielt eine Hand hinters Ohr, wie ein schlechter Schauspieler, wenn es an der Tür geklopft hat.
»Hören Sie das? Wir stehen genau am Rand.«
»Am Rand?«
Cooper lauschte. Doch es war nichts zu hören, außer dem Wind, der hier oben auf der Hochebene wehte, ein leises Wispern im Adlerfarn und das Bimmeln des Windspiels. Er konzentrierte sich. Er konnte verschiedene Vogelstimmen unterscheiden – zwitschernde Finken ganz in der Nähe, ein singendes Rotkehlchen in den Birken, die Dohlen im oberen Steinbruch und in der Ferne vielleicht eine Amsel und ein paar Krähen. Sonst nichts. Cooper sah zum Himmel. Über dem struppigen Gras am Rand des Steinbruchs stand lautlos ein Turmfalke in der Luft.
»Hören Sie es?«, fragte Stride. »Ist es nicht fantastisch?«
»Am Rand wovon?«
»Von der Realitätszone. Von hier an verschwindet das ganze Zeug dort unten.« Er deutete vage in Richtung von Matlock und der Landstraße.
»Für mich nicht, leider.«
Plötzlich warf Stride sich in voller Länge in das feuchte Farnkraut. Die braunen Wedel schlossen sich über ihm, und er war nicht mehr zu sehen. Nur sein Lachen drang noch aus dem modrigen Dunkel ans Licht.
»Sehen Sie sich das an!«, sagte er. Sein Kopf tauchte wieder auf. Er wischte sich mit einem Farnwedel über das Gesicht, verteilte das Regenwasser auf seiner Haut, leckte sich die Feuchtigkeit von den Lippen und schloss verzückt die Augen. Blätter und abgestorbene Heidekrautstängel hingen in seinem Haar; die Ärmel seiner Jacke waren durchweicht.
»Sie denken wahrscheinlich, Farn ist nur Unkraut. Die Farmer reißen es raus und verbrennen es, weil es eine Landplage ist. Aber Farn ist ein Wunder. Alle Farne sind Wunder. Sehen Sie, sehen Sie.« Er streichelte ein kleines, zusammengerolltes Blatt. Wahrscheinlich würde es sich nie mehr öffnen, dafür war es zu spät im Jahr. »Jedes dieser Blätter produziert hunderte von Sporen. Sie werden vom Wind oder von den Tieren verbreitet. Oder von mir. Sehen Sie!« Atemlos lachend wälzte er sich auf der Erde. »Ich bin ein Teil dieses Prozesses. Ich bin ein Teil der Natur!«
Stride pflückte einen größeren Wedel ab und hielt ihn Cooper vors Gesicht. »Jede Spore wächst zu einem kleinen Keimling heran. Passen Sie auf, jetzt kommt’s. Der Keimling hat sowohl männliche als auch weibliche Organe. Er ist bisexuell. Die Menschen behaupten, dass Bisexualität widernatürlich ist. Dabei kennt die Natur sie sehr wohl!«
Er drückte Cooper das Blatt in die Hand. Es roch feucht und grün. Cooper fasste es vorsichtig an, er wusste nicht so recht, was er damit machen sollte. Aber er wollte sich auch nicht einfach verabschieden, dafür war diese Darbietung viel zu fesselnd.
»Die männlichen Organe setzen Spermien frei. Spermien, hm? Schon mal gehört, ja? Aber die Spermien des Farns brauchen Regenwasser. Sehen Sie? In dieser Höhe sind die Wedel im Herbst immer feucht, so dass die Spermien durch die Feuchtigkeit zu den weiblichen Organen schwimmen und die Eizellen befruchten können. Eine neue Pflanze entsteht. Ein neuer Farn. Und es werden immer mehr. Soll ich Ihnen noch etwas sagen? Das machen die Farne schon seit dreihundert Millionen Jahren so.«
Stride sah Cooper mit großen Augen an. »Die prähistorischen Baumfarne wurden über dreißig Meter hoch. Sie liegen jetzt dort unten, unter der Erde, aber sie sind immer noch da. Versteinerte Baumfarne. Wir nennen sie Kohle.« Er riss das Blatt wieder an sich, als wäre Cooper nicht würdig, es in der Hand zu halten. »Welche ist nun also die erfolgreichste Spezies? Die klügste? Die effektivste? Die nützlichste? Der Mensch?« Er lachte. »Ich habe Botanik studiert. Sie haben versucht, mir das Fach als Wissenschaft zu verkaufen, sie wollten mich zwingen, Mykologie und Phytopathologie zu lernen. Ich musste mir Diagramme von Monokotyledonen ansehen oder den Prozess des Hydrotropismus
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