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Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
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fort: »Und Sie haben vermutlich auch gehört, wie wir uns darüber unterhalten haben, welche neuen Perspektiven der Brief hinsichtlich der Freeth-Affäre eröffnet?«
    »Ja, das habe ich. Dieser Vorfall hat mich stets fasziniert.«
    »In diesem Fall wird es Sie sicher interessieren, daß ich heute nachmittag eine weitere Version dieser Geschichte zu hören bekommen soll. Ich wollte gestern die Inschrift an der Wand des neuen Dekanats lesen.«
    »Die berühmte satanische Inschrift«, sagte Quitregard und wandte sich lächelnd um. »Obwohl ich bezweifle, daß sie etwas mit dem Tod des Dekans Freeth zu tun hat.«
    »Nein, gewiß nicht. Ich wollte sie auch in Zusammenhang mit der Geschichte des Camerarius Burgoyne lesen.« Der junge Mann hob eine Augenbraue, um auch dazu seiner Skepsis Ausdruck zu verleihen. »Aber das hat mit unserem Thema nichts zu tun«, fuhr ich fort. »Ich wollte Ihnen nur erzählen, daß ich zufällig mit dem alten Herrn ins Gespräch kam, der derzeit in dem Haus lebt, und er hat mich für morgen zum Tee eingeladen. Für heute nachmittag, wollte ich sagen«, verbesserte ich mich.
    Quitregard sah mich erstaunt an. »Tatsächlich? Mr. Stonex?«
    »Ja. Er erwähnte, daß er eine Version der Geschichte von Freeths Tod kennt, die er zusammen mit dem Haus geerbt hat. Er will sie mir heute nachmittag erzählen.«
    »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie überrascht ich bin! Das ist wirklich eine große Ehre für Sie. Er ist nämlich äußerst zurückhaltend. Oder vielleicht sollte man Sie auch nicht ganz so glücklich preisen. Soviel ich gehört habe, ist er alles andere als großzügig.«
    »Nun, mir gegenüber war er ausgesprochen reizend.«
    Quitregard hob die Augenbrauen. »Sie erstaunen mich außerordentlich, Dr. Courtine.«
    »Daß irgend jemand mich nett behandelt?« fragte ich scherzhaft.
    Er lächelte. »Eine solche Einladung widerspricht allem, was ich je über ihn gehört habe. Und ich bin in Thurchester aufgewachsen und habe mein ganzes Leben lang den ganzen Klatsch über ihn gehört. Nur Kindern gegenüber verhält er sich freundlich – das heißt eigentlich nur gegenüber den Jungen von der Chorschule, die er selbst einmal besucht hat. Zufällig habe ich, kurz bevor wir hier eintrafen, gesehen, wie er mit einem von ihnen sprach.«
    »Und was wird in der Stadt über ihn geredet?«
    »Obwohl er eine Persönlichkeit ist, über die ständig geklatscht wird, gibt es nur sehr wenig, was sich mit Sicherheit über ihn sagen läßt. Als einziger Eigentümer der Thurchester and County Bank ist er ein sehr prominenter Bürger der Stadt.«
    »Es könnte sein, daß er nur zu solchen Leuten freundlich ist, die nichts von seiner Stellung wissen – Kinder und Fremde also. Aber dann darf ich annehmen, daß er wohlhabend ist?«
    »Hat er Ihnen nicht diesen Eindruck gemacht?« fragte der junge Mann lächelnd.
    »Weit davon entfernt. Seine äußere Erscheinung wirkte ziemlich schäbig. Und das Haus sieht, jedenfalls von außen, so aus, als sei es in schlechtem Zustand.«
    »Er ist, gelinde gesagt, ein berüchtigter Geizhals; er gibt so wenig wie möglich für sich und seine Bequemlichkeit aus und für andere überhaupt nichts. Aber eigentlich ist er einer der reichsten Männer der Stadt, wenn nicht sogar der reichste. Dennoch lebt er sehr einfach und zurückgezogen. Ich habe noch nie gehört, daß er jemanden in sein Haus gebeten hätte.«
    »Hat er denn keine Freunde oder Verwandte?«
    »Keine, zu denen er freundliche Beziehungen unterhält – oder irgendwelche Beziehungen. Angeblich soll er eine Schwester haben, mit der er sich schon vor vielen Jahren zerstritten hat. Und ganz bestimmt keine Freunde.«
    »Dann genieße ich wirklich einen besonderen Vorzug. Ich bin gespannt, wie er mich empfangen wird. Was habe ich zu erwarten?«
    »Ich brenne darauf, das von Ihnen zu hören«, sagte der junge Mann lächelnd. »Das Haus wird sauber und aufgeräumt sein, denn eine Frau kommt täglich und kümmert sich darum. Sie werden alles auf seinem Platz vorfinden, aber Sie werden auch feststellen, daß nichts im Haus neu gekauft ist. Abgesehen von seiner Sammlung alter Landkarten hat er einen Horror davor, für etwas Geld auszugeben.«
    »Ist er nur exzentrisch, oder handelt es sich um etwas Ernsteres?«
    »Seine Geisteskräfte sind nicht im geringsten vermindert. Und vielleicht kann man auch nicht einmal sagen, daß er exzentrisch sei, denn von einem Bankier, dem die Leute ihr Geld anvertrauen, kann man so etwas

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