Die schwarze Kathedrale
nehmen.«
»Und was ist mit dem Gottesdienst für die Orgel?«
»Ach, der fällt aus.«
Quitregard sah ihn überrascht an. »In der Kathedrale ist was Komisches passiert«, erklärte Pomerance. »Nach dem Abendgottesdienst wird die Orgel gesperrt.«
»Was Komisches«, echote Quitregard. »Kannst du die englische Sprache nicht mit etwas mehr Finesse anwenden, Pomerance?«
Der junge Bursche zuckte die Achseln, um auszudrücken, daß er nichts Genaueres wußte.
»Die Arbeiter haben vermutlich einen leichten Schaden am Fundament einer Säule angerichtet«, warf ich ein und freute mich, daß ich eine Information über seine Heimatstadt beizutragen hatte, von der Quitregard noch nichts erfahren hatte. Zu meiner Befriedigung wandte sich der junge Mann überrascht zu mir um, und ich fügte stolz hinzu: »Und dann ist da noch so ein rätselhafter Geruch.«
Pomerance rümpfte die Nase. »Ja, es stinkt ganz abscheulich. Es war widerlich, singen zu müssen, obwohl man den Mund am liebsten überhaupt nicht aufgemacht hätte.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß du jemals lieber den Mund gehalten hättest, seit du deinen ersten Atemzug getan hast«, gab Quitregard zurück. »Aber wann soll die Feier denn nun stattfinden?«
»Wahrscheinlich nächste Woche.« Der junge Mann warf mir einen kurzen Blick zu und wandte sich wieder an seinen Kollegen: »Und bis dahin werden wir höchstwahrscheinlich einen neuen Organisten haben.«
Quitregard lächelte. »Mag sein; wir werden sehen.«
»Nun ja«, sagte ich. »Für mich ist es jedenfalls Zeit, mich wieder ans Werk zu machen; an mein ziemlich hoffnungsloses Werk.«
Quitregard sah Pomerance an. »Sei ein guter Junge und geh jetzt und trage die gestrige Arbeit in das Register ein.«
Der junge Mann leerte seine Tasse und stand auf. »Ich habe Sie heute morgen vermißt, Mr. Pomerance«, sagte ich mit ironischer Höflichkeit. »Werden Sie später die Zeit finden herunterzukommen, um mir ein bißchen zur Hand zu gehen?«
»O nein«, sagte er schnell. »Der Chef hat gesagt, ich soll nicht mehr.« Dann fiel sein Blick auf Quitregard, und er wurde rot.
»Jetzt beeil dich schon«, sagte sein älterer Kollege ungeduldig, und der junge Mann begab sich ans andere Ende der langen Galerie.
Ich wartete darauf, daß Quitregard etwas äußerte, aber er schien ganz in Gedanken versunken zu sein. Um das Schweigen zu brechen, fragte ich: »Gehen die ehrwürdigen Domherren wirklich so wüst miteinander um?«
Er lächelte. »Die meisten von ihnen sind ehrenwerte und intelligente Männer, die aber seltsamerweise keinerlei Schwierigkeiten haben, ihren Kollegen die abscheulichsten Absichten zu unterstellen.«
»Ich kenne das aus meinem eigenen College. Es ist höchst eigenartig, wie eine Gruppe absolut ehrenwerter Männer soweit kommen kann, sich gegenseitig als ruchlose Teufel zu betrachten, nur weil sie zu irgendeinem Thema unterschiedliche Ansichten vertreten.«
»Und ihre Verdächtigungen sind zudem in fast allen Fällen ungerechtfertigt.«
»Ich glaube, ich kann mir denken, worum es in diesem Fall wirklich geht.«
Er sah mich erstaunt an. »Meinen Sie?«
»Es ist ein universelles Problem, nicht wahr?«
»Wirklich?« Er wandte sich ab, um das gebrauchte Geschirr zusammenzustellen.
»Jeder weiß, daß die meisten Domherren in Thurchester der High Church zuneigen, ganz besonders der Dekan, aber ein paar andere gehören dem evangelischen Flügel an, der Low Church. In jedem Domkapitel in England gibt es diesen Zwist.«
Er wandte sich wieder zu mir um und nickte fröhlich. »Ich verstehe, was sie meinen.«
»Ich nehme an, daß Dr. Locard ›High‹ ist?«
»Schwindelerregend ›High‹.«
»Und Dr. Sheldrick ist ›Low‹?«
Er nickte. »Vollkommen flach.«
»Na also, da haben wir die Erklärung. Ich kann mir vorstellen, daß die Domherren sich seit Jahren wegen der üblichen Streitpunkte gezankt haben – ich bitte um Entschuldigung, diskutiert haben, natürlich –, um Weihrauch und Ornate und Kirchenlieder und so weiter. Aber heute muß es wohl um etwas erheblich Ernsteres gegangen sein.« Als er nicht antwortete, fragte ich: »Hat Dr. Sheldrick in seiner Eigenschaft als Kanzler irgend etwas mit der Chorschule zu tun?«
»Nicht direkt«, erwiderte er und sah neugierig auf. »Aber eine seiner Pflichten ist es, den Schulleiter bei seiner Amtsführung zu überwachen.«
»Und hat die Amtsführung des Schulleiters Anlaß zu Fragen gegeben?«
»Es sind jedenfalls Fragen gestellt
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