Die Schwarze Katze Von La Guadana: Horror-Roman ; ["Ein Meisterwerk Des Poetischen Horrors"]
Vielleicht hatte er damals getrunken, weil er einer Frau so nahe war, die entschlossen war, ihre Beziehung unnatürlich rein beruflich zu gestalten, eine Priesterin und Nonne, die der Welt abgeschworen hatte. Aber selbst Priesterinnen verlieben sich, dachte sie. Viele Priester trinken auch. Bell fuhr schnell, aber der Wagen schien nicht von der Stelle zu kommen. Gebäude zogen geradezu im Schneckentempo an ihnen vorüber.
»Manchmal vergehen Jahre«, sagte sie, »und plötzlich merkt man eines Nachmittags, wie man hinaus auf die Bäume schaut und denkt, daß man nicht eine Sekunde davon wirklich wach gewesen ist, daß alles an einem vorübergegangen ist. Das ganze Leben.« Ich hätte seine Geliebte sein sollen, dachte sie.
Wir hätten heiraten sollen. Es war meine Unnahbarkeit, die ihn abgeschreckt hat.
Die Augen, die so viele Männer als ›kühl‹ bezeichnet hatten.
Kühle, selbstbewußte Sarah, Expertin für alles und jedes, nur nicht für sich selbst.
Aber auch Ham hatte sie mißverstanden. Oder vielleicht mochte er sie auch ganz einfach nicht, sexuell, so wie er Maria wollte.
Ihre Fingernägel gruben sich in die Handflächen. Diese Fahrt hatte noch nie so lange gedauert. Zur Linken ging es Richtung Airport über eine Straße, die von Eukalyptusbäumen gesäumt wurde. Das Blattwerk glitzerte im Sonnenlicht. Und dann die schäbige, gräßliche Statue von Father Serra, der mit der ausgestreckten Hand nach Westen wies, zu einem Bergkamm und einer Ansammlung von Bäumen. Sie wurde das Gefühl nicht los, als würden sie zu spät kommen.
Zu spät für was? fragte sie sich selbst.
Zu spät, um Ham zu helfen. Deshalb redete sie unaufhörlich über ihn, erschuf ihn immer aufs neue mit Worten, weil sie ihn nicht in Wirklichkeit sehen konnte.
Sie verließen den Freeway. Die Schatten der Bäume huschten über das Wagendach hinweg. Der Highway nach Live Oak war Sarah immer als eine ganz normale Landstraße vorgekommen, zwei Fahrspuren, die die Hügel durchschnitten. Jetzt dehnte er sich endlos, wand sich und hatte viel mehr Kurven, als sie in Erinnerung hatte, dazu ein langsamer Lieferwagen, dann ein Pferd, das entlang der Böschung graste und dessen Hinterteil bis in die Fahrbahn hineinragte. Der Highway dehnte sich und dehnte sich. Sie würden niemals ankommen.
Sarah preßte die Hände zusammen wie jemand, der flehentlich ja verzweifelt, betete. Ihre Fingerspitzen waren eiskalt. Bald, sagte sie zu sich selbst. Bald sind wir da.
Sie waren da – die ersten vertrauten knorrigen Eichen, Ausläufer größerer Wälder.
Endlich. Doch was sie sah, verwirrte sie, und ihre Lungen verkrampften sich in der Brust.
Sinnlos, sagte sie sich selbst. Das ergibt doch keinen Sinn.
Sie schloß die Wagentür hinter sich. Das häßliche Schnappen der Tür hinter ihr war das einzige Geräusch weit und breit. Wie betäubt und unwillig, sich einen Reim zu machen auf das, was sie sah, biß sie sich hart in die Knöchel. Hatte Ham endlich ein wenig Sinn für Sicherheitsmaßnahmen entwickelt? Es wäre möglich. Aber das hier sah nicht aus wie etwas, das er getan haben könnte.
Aber natürlich mußte das einen Grund haben. Etwas, das er getan hatte, um – ja, um was zu erreichen? Ham würde so was doch nie tun.
Die schwarzen Eisentore, die auf Live Oak führten, waren geschlossen und mit Ketten gesichert, und diese Ketten waren mit einem Schloß gesichert.
»Sicherheitsmaßnahmen?« fragte Bell. »Vielleicht irgendeine Vorsichtsmaßnahme…?«
Sie näherten sich gemeinsam der Kette, als handele es sich um ein lebendes Wesen. Das Vorhängeschloß war groß, die Kette alt und angefertigt worden, um damit liegengebliebene Laster abzuschleppen oder Flußkähne zu ziehen. Die schwarzen Kettenglieder waren dick, aber alles zusammen sah nicht nach professioneller Arbeit aus.
Sie sah Chris an und hoffte, er werde irgend etwas sagen, aber der fingerte lediglich an dem Vorhängeschloß herum, als ließe dessen Mechanismus sich durch bloßes Anfassen betätigen. Das war genau die Art, wie sein Gehirn arbeitete, wie sie sogleich bei sich feststellte. Er mußte sehen und anfassen und jedes noch so kleine Detail überdenken.
»Wir müssen irgendwie anders hinein«, sagte er schließlich mit einer Stimme, die sich dafür zu entschuldigen schien, daß sie das Offenkundige aussprach.
Die Kette bewegte sich ein klein wenig, als reagiere sie auf den Klang seiner Stimme. Die schwache Bewegung ließ sie beide sofort einen Augenblick lang
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