Die Schwarze Katze Von La Guadana: Horror-Roman ; ["Ein Meisterwerk Des Poetischen Horrors"]
stehen wie sie. »Selbst jetzt noch?« fragte sie.
»Vielleicht sogar noch mehr«, erwiderte er. Er lenkte den Wagen auf die Rechtsabbiegespur und lachte kurz. »Als ich zum erstenmal Stripsearch gesehen habe, da wußte ich, daß ich eigentlich Schriftsteller sein sollte.«
»Den Film oder…«
»Das Theaterstück. Der Film war auch großartig, aber sie mußten ja unbedingt ein paar Szenen einfügen, die draußen spielten. Zum Beispiel, als sie zu einem Spielplatz gehen, damit sie sich auf die Schaukel setzen und dort dieselbe Geständnisszene spielen konnten, die im Theaterstück im Schlafzimmer spielt. Das Theaterstück hat mich mehr aufgewühlt, man fühlte sich so mit den Charakteren eingeschlossen.«
Und nun waren sie wieder an dem Punkt, fand sie, wo sie weiterhin glauben konnten, Speke habe Stripsearch geschrieben. Er mußte es einfach geschrieben haben. Die ganze Aura des Stückes, die Ungeduld der handelnden Personen, ihr Beharren darauf, mehr aus ihrem Leben zu machen als eine bloße Existenz von einem Tag zum anderen, mehr als Fernsehen und Finanzteile von Zeitungen boten, das war so ganz und gar Ham.
»Ham hat früher viel getrunken, mußt du wissen«, erinnerte sie sich laut. »Ich meine nicht, wie er jetzt trinkt. Ich meine, exzessiv. In der Regel fing er schon vor dem Frühstück damit an. Das wurde schließlich so schlimm, daß seine Leber schon anzuschwellen begann. Er war entsetzt. Einmal hat es fast so ausgesehen, als werde in seinem Körper ein Luftballon aufgeblasen, fast wie eine Scheinschwangerschaft. Ich glaube, wir hatten beide gedacht, er habe einen Körper aus Eisen.«
»Eisen kann rosten.«
Das Verlangen, Ham zu sehen, verursachte Sarah körperliche Schmerzen. Sie wollte seine Stimme hören. Sie mußte sich zwingen, weiter Konversation zu machen. Aber über ihn zu reden ließ ihn irgendwie näher sein. »Er hatte schon immer seine ganz eigene Ansicht zur Medizin, und seinen Körper betrachtete er schon immer gern als eine Art Metapher für irgend etwas anderes. ›Mein Organ für den Mut ist krank‹, sagte er gern, aber dann kehrte er wieder zu seinen Tequilas noch vor dem Frühstück zurück. Es hat mir regelrecht weh getan, zusehen zu müssen, was er sich alles selbst antat. Ich habe ihn ziemlich genervt, glaube ich. Dann veranstaltete er eine Marathon-Sauftour in Los Angeles.«
Man konnte es wohl nicht anders bezeichnen, fand sie, aber es war nicht richtig, eine derart rüde Formulierung dafür zu wählen, wenn man von einem Mann wie Ham sprach. Es klang wie etwas, das sein Vater vielleicht über einen seiner Freunde gesagt haben könnte. »Er hatte sich mit ein paar anderen Autoren zusammen eingeschlossen, weil sie ein Stück aus dem Song ›Big Bucks‹ machen wollten – oder einen Film. Und er trank so viel, daß sie alle gar nicht wußten, was mit ihm los war. Er hatte Halluzinationen – Kakerlaken aus Glas. Als er wieder hierher zurückkam, war nicht mehr zu übersehen, daß er drauf und dran war, sich zu Tode zu trinken, und da habe ich sämtliche Schnapsvorräte weggeschlossen und die Schlüssel an mich genommen.«
»Hat es was bewirkt?«
»Nein. Gewirkt hat nur, daß er sah, wie besorgt ich um ihn war. Das hat gewirkt.« Sie schaute einen Moment aus dem Fenster. »Und dann kam Maria. Sie hat ihn komplett kuriert.
Oh, es gab immer noch den dreifachen Scotch vor dem Dinner, und er behielt weiter seltsame Gewohnheiten bei, wie zum Beispiel, das griechisch-orthodoxe Oktoberfest mit einer Flasche Ouzo zu begehen. Er trank noch immer, aber nicht so, daß man fürchten mußte, es werde ihn umbringen. Aber ich hatte jahrelang gedacht, daß er vor allem das Vergnügen liebte, daß er trank, weil er lachen wollte. Ich habe es mißverstanden, oder vielleicht habe ich mich auch selbst belogen. Er trank, weil er sich an Asquith erinnerte.« Und ich hätte mehr tun können, um ihm zu helfen, dachte sie. Ich hätte sehr viel mehr tun können, und ich werde einiges mehr tun. Das verspreche ich dir, Ham. Ich werde dir helfen.
Aber es war schon viel zu spät. Was immer es zwischen ihr und Ham hätte geben können, es war Vergangenheit, ein nicht befahrener Fluß, ein vom Dschungel überwucherter Pfad. Die Erde fordert ihr Recht. Ein Leben mit Ham war eine Möglichkeit, die sie nie ernstlich in Erwägung gezogen hatte.
War er, fragte sie sich, je in sie verliebt gewesen? Möglich wäre es schon – vielleicht in einer jener Nächte, als sie Zeitungsausschnitte archiviert hatten.
Weitere Kostenlose Bücher