Die Schwarze Katze Von La Guadana: Horror-Roman ; ["Ein Meisterwerk Des Poetischen Horrors"]
nehmen, sie schütteln, das Etikett in dem spärlichen Licht lesen, um glauben zu können, daß seine Kassette wieder da war. Es war Kurosawas Seven Samurais, ein Film, den er vor Jahren in San Francisco gesehen hatte. Er hatte ihn, um genau zu sein, zusammen mit Asquith gesehen, der sich eine halbe Flasche Tequila in die Fanta geschüttet und dazu ein paar große rote Seconal geschluckt hatte und Stunden, bevor die marodierenden Briganten sich in ihr letztes Schwert stürzten, eingeschlafen war.
Das Band war verschwunden gewesen. Aber jetzt war es wieder an genau dem Platz, wo es tagelang gelegen und darauf gewartet hatte, von ihm abgespielt zu werden.
Er hatte dieses Band erst vor ein paar Wochen bestellt, aber jetzt kam ihm der Nachmittag, an dem er deswegen mit dem Videoverleih in North Hollywood telefoniert hatte, wie eine weit zurückliegende Epoche, ein Moment aus dem Devon vor, als noch Drachen die Erde bevölkerten. Es war ein Tag gewesen, an dem sein Geist noch unbelastet genug gewesen war, um an Sachen wie alte Filme zu denken.
Er trank Scotch, leerte die Flasche, und als die scharfe Flüssigkeit zur Neige gegangen war – lange dauerte es nicht – , nahm er die leere Flasche mit sich auf das Sofa, als habe er eine Vorahnung, er könne sie vielleicht noch als handliche Waffe brauchen.
Wo wäre ich wohl, fragte er sich, als er das Band aus der Hülle holte, ohne Fernsehen? Stell dir einmal Walter Raleigh vor, gefangen im Tower von London, und ohne Fernsehen.
Er schob Teil 1 in den Videorecorder und setzte sich auf dem Sofa zurecht. Ich, Hamilton Speke, habe vor, hier die ganze Nacht mit meinem Schwert zur Seite zu sitzen. Ich werde standhaft sein wie ein Samurai und an nichts anderes denken.
An gar nichts.
Der Bildschirm flirrte und flackerte. Statische Störungen gesellten sich dazu. Speke faltete die Hände. Das fehlerhafte Band erhellte den Raum mit fahlen grauen Blitzen.
Als er es sah, merkte er zuerst gar nicht, was er da sah.
Natürlich war das kein Gesicht. Natürlich war das kein unscharf gezeichnetes Gesicht, was sich da langsam aus dem Streifen und Flecken auf dem Bildschirm herausschälte.
Natürlich war es nicht Asquiths Gesicht.
Es starrte ihn an.
Asquiths Gesicht starrte ihn an, und selbst als Hamilton mit den Augen zwinkerte und sich nach vorn beugte und den Kopf schüttelte – das Gesicht blieb.
Hör auf mich anzustarren! schrie sein Geist.
Und dann war es verschwunden.
Jetzt ist es wieder weg, sagte er sich. Sieh nur – alles ist in bester Ordnung. Das Gesicht ist wieder weg.
Er war wach. Dies war kein Traum. Das wußte er nur zu gut.
Er hob die Flasche und hielt sie wie eine Keule, während er sich im Zimmer umsah. Wo würde Asquith noch alles erscheinen?
Er langte nach der Fernbedienung und spulte das Band zurück.
Da, sagte er sich, das ist gar nichts. Nur eine Störung im Band, sonst nichts. Kein Grund zur Aufregung.
Er hielt den Atem an. Das Phantom war da, aber so schwach, daß man es fast nicht erkennen konnte. Speke drückte die Pausentaste, und das Gesicht schien aus lauter Schatten, grauen Streifen und Pünktchen zusammengesetzt. Jemand anderer hätte es vielleicht gar nicht erkannt.
Aber es war da. Asquith war da.
Speke zwang sich, besonnen zu bleiben. Er spürte noch immer die Verspannungen vom Ausheben des Grabes in den Schultern und Schenkeln. Er balancierte die Flasche abwägend in der Hand. Er faßte den Flaschenhals und schleuderte die Flasche Asquith mitten ins Gesicht.
Es gab einen lauten Knall, und der Widerschein des Fernsehers im Zimmer erlosch. Alles wurde übergangslos schwarz. Das Schweigen war nicht total – es blieb ein elektronisches Summen zurück. Der Gestank von verbranntem Plastik und geschmolzenem Metall zog zu der Stelle herüber, wo er auf Händen und Knien abwartete. Von den Wänden strahlte diffuses Licht zurück. Glasscherben glitzerten auf dem Fußboden.
Er kroch – so leise wie nur möglich.
Beweg dich nicht. Tu keinen Schritt. Was ist das da in dem Becken mit dem Piranha?
Nichts. Da ist nichts.
Maria war wach und saß aufrecht im Bett.
»Ich ziehe mir nur gerade etwas an«, flüsterte Speke.
»Was ist denn los, Ham?«
»Ich konnte nicht schlafen.« Er knöpfte sich das Hemd zu und zog den Reißverschluß der Hose in die Höhe.
»Ich habe ein Geräusch gehört.«
»Kein Geräusch.« Er stieg in seine Stiefel. »Eine absolut ruhige Nacht.«
»Was ist denn los? Hier stimmt doch etwas nicht. Das kann ich
Weitere Kostenlose Bücher