Die Schwarze Katze Von La Guadana: Horror-Roman ; ["Ein Meisterwerk Des Poetischen Horrors"]
Asquiths Leiche noch am Morgen vollständig ausgraben und auswickeln sollen. Warum nicht bis zum Nachmittag warten? Meine Herren, ein Tag eignet sich für alles. Er ist wie Wasser. Es kennt alle Begrenzungen, alle Konfigurationen. Ich denke, ein Streifzug durch die Beete mit den preisgekrönten Rosen und danach ein Drink wären vertretbar. Und danach ein Herumstöbern in der Bibliothek und ein Drink.
Was für ein seltsamer Mann ich doch bin, solch eine unglaubliche Mischung aus Sturheit und Selbstbetrug. O mein Gott! War heute der Tag, an dem Brothers für gewöhnlich kommt? Oder war das gestern gewesen? Er kommt nicht jeden Tag. Oder doch?
Wie, wenn Bell über das Grab stolpert, während er darauf wartet, daß Sarah ihre Einkaufsbummel-Garderobe anlegte? Er könnte sich die Zeit mit Joggen vertreiben wollen und dabei rein zufällig am Grab vorbeikommen. Das würde sich nicht gerade gut in Kapitel eins des Buches Speke – ein Leben machen.
Das Fenster ließ sich nur mit Mühe öffnen. Reifen knirschten auf dem Kies der Auffahrt, und Bells Fiat fuhr ins volle Licht hinaus. Aber der Himmel jenseits des Kamms der Bäume war voller umherschwirrender Vögel.
Laß es sie nicht sehen, betete er. Laß sie weiterfahren. Laß sie nicht anhalten. Natürlich mußten sie die Geier hinter den Bäumen sehen. Vielleicht – sollte das möglich sein? – frischte der Wind auf, und sie würden den Leichnam riechen.
Der grüne Wagen verlangsamte seine Fahrt. Sie riechen es!
Natürlich rochen sie es. Man kann doch einen Körper dieser Größe nicht halb ausgegraben liegen lassen.
Der Fahrer schaltete in einen höheren Gang, und der Motor fand zu einem ruhigeren Brummen. Speke kletterte die Einfahrt noch gerade rechtzeitig hinauf, um den Fiat um die Kurve verschwinden zu sehen.
Im Augenblick brauchte er Maria nicht. Nach Sarah hätte er rufen mögen, um sie an seine Seite zurückzuholen.
Aber es war zu spät.
Was war es nur, was ihn so plötzlich zum Grab zurückrief?
War es die Silhouette eines der großen Vögel oder das Schnappen von Zähnen in der Entfernung, so weit entfernt, daß er es gar nicht gehört haben konnte. Jedenfalls rannte er auf einmal. Unsinnig, so zu rennen, sagte er sich selbst. Aber er konnte nichts dagegen tun. Da war ein Geräusch, das er von irgendwoher kannte, das in einem Winkel seiner Erinnerungen lebte, einem Winkel, der sich auf Tiere und Hunger und Töten verstand.
Heftig nach Atem ringend blieb er stehen und streckte die Hand nach dem Ast einer Eiche aus, um sich an ihm festzuhalten. Das kann nicht sein, dachte er. Ich muß mich mit absoluter Sicherheit irren.
Es war nicht das Schnappen von Zähnen, nicht einmal ein Knurren. Etwas Subtileres als das, das typische Geräusch fressender Tiere. Die scheuen, flüchtigen Raubtiere wurden gefüttert.
Zweige schlugen ihm ins Gesicht, als er sich durch das Unterholz kämpfte. Was er sah, ließ ihn den Boden nach Steinen absuchen. Schwarze Schwingen schlugen hoch auf. Er rief etwas, ein halb menschlicher, halb tierischer Schrei, und schleuderte einen Stein nach zwei schmutzig-gelben, langschwänzigen Coyoten.
Dann gefror er, unfähig, auch nur noch einen einzigen Schritt zu tun.
Die Kojoten hatten den Leichnam aus dem Grab gezerrt.
Der Leichnam war aus dem Boden geholt worden, und der Teppich war aufgerollt. Der Leichnam lag entblößt im vollen Licht der Morgensonne da.
Speke konnte nicht mehr atmen. Das war schlimmer als alles, was er je geträumt hatte. Dies hier war schlimmer als seine schlimmsten kindlichen Alpträume.
Etwas Entsetzliches war mit Asquiths Leichnam geschehen.
VIERTER TEIL
STRIPSEARCH
23
Sarah hatte vergessen, wie gewunden die Straße war, die von Live Oak wegführte. Mitunter hob sich auch eine Wurzel aus dem Erdreich oder ein Stein wie der Helm eines Mannes, der senkrecht beerdigt worden war. Obwohl die Stichstraße nicht länger als drei oder vier Meilen war, wirkte sie endlos. Sie wand sich von einem Ort, der einer Seele gleich seine ganz eigene Färbung hatte, hinunter in das Land der geraden Straßen und des gesunden Menschenverstandes.
»Eine Straße wie die hier kann mich um den Verstand bringen«, sagte Bell.
Sarah sagte nichts, pflichtete ihm aber auch nicht bei. So glücklich sie auch war, gemeinsam mit Bell diesen Ort zu verlassen, konnte sie doch den einen Gedanken nie ganz unterdrücken: bleib hier.
Sie erreichten das Tor. Der Fiat keuchte und wäre fast stehengeblieben. Das Tor stand offen, und dennoch
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