Die schwarze Witwe: Thriller (German Edition)
herausgefunden, dass mich heute Leute besuchen, um mit mir über unseren Familienstammbaum zu reden?«, fragte Carley.
»Du hast es Jenny erzählt, und die hat es ihrer Mutter erzählt, und die hat es mir erzählt«, sagte die Großmutter. »Spielt das eine Rolle?«
»Ja, wenn ich dieses Leck künftig stopfen will«, sagte Carley.
»Carley«, tadelte sie ihre Mutter sanft, dann schaute sie Diane und Kingsley an. »Ich mag mir gar nicht vorstellen, was Sie jetzt von uns denken.«
Sie lächelte sie an.
»Mrs. Wallace«, sagte Diane. »Wir suchen nach einer Frau, die aus dem Gefängnis entkommen ist. Dort saß sie, weil sie ihren Mann getötet hat. Außerdem hat sie auch noch andere umgebracht. Wir kennen ihren richtigen Namen nicht, aber wir glauben, dass sie eine Cousine Ihrer Tochter ist. Damit wäre sie Ihre Nichte, nicht wahr?«
Sarah Wallace saß da, ohne etwas zu sagen, sah aber jetzt weniger ängstlich als wütend aus.
»Mama, geht es hier um deine Schwester?«, fragte Ellen Volker.
»Erwähne auf keinen Fall ihren Namen«, fuhr sie Mrs. Wallace an.
»Das ist so lange her, dass ich mich kaum noch daran erinnere«, sagte Ellen Volker. »Mama hat eine Schwester, mit der sie seit über dreißig Jahren nicht geredet hat.«
»Pst!«, zischte sie ihre Tochter an. »Warum habt ihr beide nur so eine große Klappe?«
»Mama!«, rief ihre Tochter empört. »So habe ich dich ja noch nie erlebt, zumindest nicht im Beisein von Fremden!«
»Mrs. Wallace«, meldete sich Kingsley zu Wort. »Das hier ist sehr wichtig. Wir müssen diese Frau unbedingt finden. Die US-Marshals wissen bereits über diese Verwandte Bescheid und werden auch bald hier auftauchen.«
»Marshals?«, riefen Carley und Ellen wie aus einem Mund.
»Oma, du solltest besser reden«, sagte Carley.
»Seht nur, was ihr angerichtet habt«, sagte Sarah Wallace. »Ich wollte euch beschützen, und das kommt jetzt dabei heraus.«
»Mutter! Wenn du nicht eine solche Geheimniskrämerei betrieben hättest und uns gesagt hättest, warum du etwas gegen ihre Suche nach unseren Familienangehörigen hast, hätte Carley vielleicht sogar auf dich gehört. Sie ist jetzt eine erwachsene Frau, und du kannst sie – oder auch mich – nicht mehr wie ein Kind behandeln und angeblich zu unserem Schutz wichtige Dinge vor uns geheim halten. Wenn wir tatsächlich in Gefahr schweben, müssen wir das wissen, damit wir etwas dagegen tun können. Um Himmels willen, erzähle uns nur nicht, wir seien in Gefahr, ohne uns dann auch zu sagen, worin die Gefahr besteht. Sprich jetzt mit diesen Leuten.«
Sarah starrte ihre Tochter an. Diane hatte den Eindruck, dass es zwar lange brauchen mochte, bis Ellen Volker in die Luft ging, dass ihre Familie aber sofort darauf reagierte, wenn es denn einmal der Fall war. Die Großmutter schüttelte den Kopf. »Vielleicht hast du recht.«
Sie goss sich ein Glas Tee ein und stürzte es hinunter, als ob es Whisky wäre.
»Ich habe eine Schwester, Jerusha, die neun Jahre jünger ist als ich. Ich weiß nicht, ob du dich noch an sie erinnern kannst, Ellen.«
»Doch, ich erinnere mich. Ich war ein Teenager, als ihr beide euch verkracht habt«, sagte sie.
»Verkracht nennst du das? Ich hätte dir die Geschichte wohl schon vor langer Zeit erzählen sollen, dann würden wir nicht hier sitzen und uns streiten.«
»Nun, dann erzähle sie uns jetzt, Mama.«
»Jerusha heiratete einen Mann namens Alain Delaflote. Unsere Eltern mochten weder ihn noch seine Familie. Ich übrigens auch nicht. Aber Alain sah gut aus und hatte Geld. Das war alles, woran meine Schwester interessiert war. Natürlich war auch sie bildschön, mit blonden Locken und einer Taille wie Scarlett O’Hara. Sie feierten ein riesiges Hochzeitsfest mit langen Kleidern und Tauben. Aufwendig ist noch untertrieben. Mir war das alles äußerst peinlich.«
»Besitzt du irgendwelche Bilder?«, fragte Carley.
»Ich habe nichts, was mich an sie erinnern könnte«, antwortete ihre Großmutter. »Für mich ist sie gestorben.«
Carley schaute ihre Großmutter mit großen Augen an. »Was ist denn bloß passiert?«, flüsterte sie.
»Wenn du Geduld hast, erzähle ich es dir«, sagte die Großmutter.
Diane hätte gerne etwas zur Eile angetrieben, doch als sie sah, wie Kingsley sich nach vorne beugte und regelrecht an ihren Lippen hing, hielt sie sich zurück.
»Alain war wie sein Vater und Großvater im Seehandelsgeschäft tätig. Die Familie lebt schon ewig hier, und für die meisten
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