Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
muss.
»Nicht richtig krank«, verbesserte Jaenelle sich.
Es klang fast, als flehe sie ihn an, ihr zuzustimmen. Doch beim Feuer der Hölle, wie konnte er sie ansehen und ihr zustimmen?
»Mein Blut ist stark, Saetan.« Jetzt flehte sie tatsächlich. »Und du brauchst Blut.«
»Nicht, solange du selbst auf jeden einzelnen Tropfen angewiesen bist«, knurrte Saetan. Er versuchte, sich anders hinzusetzen, doch da Jaenelle auf seinem Schoß saß, war er im Grunde gefesselt. Mit einem Seufzen registrierte er den entschlossenen Blick, den er nur allzu gut an ihr kannte. Sie würde ihn nicht eher gehen lassen, als bis er das Blut angenommen hatte.
Da bemerkte er, dass es ihr nicht nur darum ging, ihm eine Wohltat angedeihen zu lassen, sondern dass sie auch ihre eigenen Gründe hatte. Sie wirkte zerbrechlicher als zuvor – und nicht nur im körperlichen Sinne. Es war, als würde seine Weigerung, das Blut anzunehmen, eine tief in ihr verwurzelte Furcht bestätigen, die sie verzweifelt im Zaum zu halten suchte.
Das überzeugte ihn.
Er ließ einige Zeit verstreichen, ohne ihr viel Blut zu rauben. Er hoffte, dass sie sich auf diese Weise täuschen ließ. Als er endlich den Kopf hob und den Finger auf die Wunde presste, um sie zu heilen, konnte er den Zweifel in ihren Augen lesen. Nun, er konnte auch anders!
»Wo hast du gesteckt, Hexenkind?«, fragte er ebenso sanft wie nachdrücklich.
Die Frage erstickte ihren Protest und sie bedachte ihn mit einem Unschuldsblick. »Saetan, hast du vielleicht etwas zu essen für mich?«
Patt. Mit etwas anderem hatte er nicht gerechnet.
»Ja«, entgegnete er trocken, »ich denke, es wird sich schon etwas finden lassen.«
Jaenelle schob sich nach hinten, um aufzustehen, und beobachtete dann, wie er sich mühsam aus dem Sessel hochzog. Ohne ein Wort zu verlieren, holte sie seinen
Spazierstock, der am Ebenholzschreibtisch lehnte, und reichte ihm die Gehhilfe.
Saetan verzog das Gesicht zu einer Grimasse, griff jedoch nach dem Stock. Er stützte sich leicht mit einem Arm auf ihrer Schulter ab, während sie das Arbeitszimmer und die tiefer gelegenen, roh behauenen Gänge verließen, durch das Labyrinth aus Korridoren weiter oben wanderten und schließlich die Flügeltür am Eingang erreichten. Saetan führte sie an der einen Seite der Burg entlang auf die heilige Stätte zu, die den Dunklen Altar beherbergte.
»Neben der Burg gibt es einen Dunklen Altar?«, erkundigte sich Jaenelle, die mit großem Interesse um sich blickte.
Saetan lachte leise in sich hinein, während er die vier schwarzen Kerzen in der richtigen Reihenfolge anzündete. »Also im Grunde ist es umgekehrt: Die Burg ist neben dem Altar gebaut worden, Hexenkind.«
Sie riss die Augen auf, als sich die steinerne Wand hinter dem Altar in Nebel verwandelte. »Ooohh«, flüsterte Jaenelle, wobei in ihrer Stimme zum ersten Mal, seitdem Saetan sie kannte, so etwas wie Ehrfurcht mitschwang. »Warum passiert das?«
»Es ist ein Tor«, erwiderte Saetan verblüfft.
»Ein Tor?«
Er musste die Worte förmlich hervorstoßen. »Ein Tor zwischen den Reichen.«
»Ooohh.«
Seine Gedanken überschlugen sich. Da sie nun schon seit Jahren zwischen den Reichen hin- und herreiste, hatte er immer angenommen, sie wisse, wie man die Tore öffnet. Wenn sie noch nicht einmal von der Existenz der Tore wusste, wie war sie dann verflucht noch mal die ganze Zeit über nach Kaeleer und in die Hölle gekommen?
Er konnte sie nicht danach fragen, wollte nicht fragen. Wenn er sie fragte, würde sie es ihm sagen und er wäre gezwungen, sie zu erwürgen.
So streckte er ihr eine Hand entgegen. »Geh nach vorne
durch den Nebel. Wenn du langsam bis vier gezählt hast, haben wir das Tor passiert.«
Sobald sie auf der anderen Seite waren, führte er Jaenelle wieder seitlich an der Burg vorbei und durch die Flügeltür am Eingang.
»Wo sind wir?«, wollte Jaenelle wissen, während sie die Muster betrachtete, die von dem bogenförmigen Bleiglasfenster über der Tür auf den Boden geworfen wurden.
»Burg SaDiablo«, antwortete er nachsichtig.
Langsam wandte Jaenelle sich ihm zu und schüttelte den Kopf. »Das hier ist nicht die Burg.«
»Oh doch, das ist sie, Hexenkind. Wir sind gerade eben durch ein Tor gegangen, erinnerst du dich? Dies hier ist die Burg im Schattenreich. Wir befinden uns in Kaeleer.«
»Es gibt also tatsächlich ein Schattenreich«, murmelte sie, während sie eine Tür öffnete und in das Zimmer dahinter lugte.
Da er davon ausging,
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