Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
musterte. »Du hast dich dazu entschieden, ein braver Junge zu sein?«
Lucivar stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Ich habe mich dazu entschieden, dass ich anständiges Essen, zur Abwechslung einmal ein richtiges Bett und ein paar Tage weg von Pruul wollte; alles, was ich dafür tun muss, ist Zuultahs Stiefel zu lecken.«
»Vielleicht ist genau das dein Problem? Du solltest ihr nicht die Stiefel lecken, sondern ihr in den Arsch kriechen.« Er wandte sich um und glitt den Weg entlang.
Da Lucivar sich entsann, weswegen er mit Daemon hatte reden wollen, folgte er ihm zögernd. In einem Winkel des
Gartens, der von der Villa aus nicht zu überblicken war, erreichten sie einen Pavillon. Daemon schenkte Lucivar sein kaltes, süßes Lächeln und trat beiseite, um ihm den Vortritt zu lassen.
Lass ein Raubtier niemals deine Angst wittern.
Lucivar ärgerte sich über sein eigenes Unbehagen, während er den Kopf drehte, um die leuchtenden Blätter des Feuerbusches zu betrachten, der in der Nähe wuchs. Er versteifte sich, als Daemon hinter ihn trat und seine langen Nägel ihm über die Schulter strichen und in der Art eines Geliebten mit seiner Haut spielten.
»Willst du mich?«, flüsterte Daemon und ließ seine Lippen über Lucivars Hals gleiten.
Als Lucivar sich ihm mit einem verächtlichen Schnauben zu entziehen suchte, wurde aus der liebkosenden Hand des anderen auf der Stelle ein unnachgiebiger Schraubstock. »Nein«, sagte Lucivar entschieden. »Davon habe ich in eyrischen Jagdlagern genug ertragen müssen.« Dann wandte er sich mit einem breiten Lächeln um. »Glaubst du wirklich, deine Berührung lässt meinen Puls schneller schlagen?«
»Etwa nicht?«, flüsterte Daemon, in dessen Augen ein eigenartiges Funkeln lag.
Lucivar starrte ihn an. Daemons Stimme war zu schmachtend, zu seidig und von zu viel gefährlicher Schläfrigkeit. Beim Feuer der Hölle, dachte Lucivar verzweifelt, als Daemons Lippen zart die seinen berührten, was war nur los mit ihm? Sonst verhielt er sich doch nicht so.
Als Lucivar zurückwich, gruben sich Daemons Finger in seinen Nacken und die scharfen Daumennägel schnitten ihm in den Hals. Die Fäuste an die Schenkel gepresst, schloss Lucivar die Augen und gab sich dem Kuss hin.
Es bestand kein Grund, Erniedrigung oder Scham zu verspüren. Sein Körper reagierte auf diese Art der Stimulanz genauso wie auf Kälte oder Hunger. Physische Reaktionen hatten nichts mit Gefühlen oder gar Begehren zu tun. Überhaupt nichts.
Doch, Mutter der Nacht, Daemon konnte einen Stein zum Schmelzen bringen!
»Weshalb tust du das?«, stieß Lucivar keuchend hervor. »Sag mir wenigstens, wieso!«
»Wieso nicht?«, erwiderte Daemon verbittert. »Ich muss mich für jeden sonst zur Hure machen, warum also nicht für dich?«
»Weil ich es nicht will und weil du es nicht willst. Daemon, das ist Wahnsinn! Warum tust du das?«
Daemon legte seine Stirn an Lucivars. »Warum fragst du mich, obgleich du die Antwort längst kennst?« Er massierte Lucivars Schultern. »Ich ertrage es einfach nicht mehr, von ihnen berührt zu werden. Seitdem ... Ich ertrage es nicht, wie sie sich anfühlen, wie sie riechen, wie sie schmecken. Sie haben mein gesamtes Wesen geschändet, bis nichts Reines mehr übrig war, das ich zu bieten hätte.«
Lucivar legte die Hände um Daemons Handgelenke. Die Scham und Bitterkeit, die Daemons mentale Signatur erfüllten, trafen einen Nerv, an dem Lucivar selbst in den vergangenen fünf Jahren lieber nicht mehr gerührt hatte. Wenn die kleine Katze mit den saphirblauen Augen einst alt genug wäre, um zu verstehen, was es bedeutete – würde sie ihn und Daemon dann verachten? Egal. Mit jeder Faser seines Körpers würde er dafür kämpfen, ihr dienen zu dürfen. Daemon ebenso. »Daemon.« Er holte tief Luft. »Daemon, sie ist gekommen.«
Daemon ließ ihn los. »Ich weiß, ich habe sie gespürt.« Er steckte die zitternden Hände in seine Hosentaschen. »Sie steckt in Schwierigkeiten ...«
»Was für Schwierigkeiten?«
»... und ich frage mich, ob er sie beschützen kann – und ob er sie beschützen wird .«
»Wer? Daemon! «
Da sank Daemon stöhnend zu Boden, wobei er mit den Händen seinen Schritt umfasste.
Leise fluchend schlang Lucivar die Arme um Daemon
und wartete ab. Sonst konnte er nichts für einen Mann tun, den vom Ring des Gehorsams aus Schmerzen durchzuckten.
Als es vorüber war und Daemon wieder aufstand, hatte sich sein schönes, aristokratisches Gesicht zu einer
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