Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
verloren, Lord Dujae.«
Dujae blickte zu Boden. Seine langen, dicken Finger zupften am Schirm der abgetragenen blauen Mütze herum, die er umklammert hielt. »Ich weiß, Höllenfürst. Verzeih mir.
Ich hätte nicht kommen sollen, aber ich konnte nicht warten. «
Saetan konnte warten, und er tat es.
Sein Besucher zerknüllte die Mütze in den Händen. Als er endlich aufsah, sprach nichts als Verzweiflung aus seinen Augen. »Ich bin so müde, Höllenfürst. Es gibt nichts mehr, das ich malen könnte, niemanden, den ich unterrichten oder mit dem ich meine Gedanken teilen könnte. Kein Ziel, keinerlei Freude. Es gibt nichts. Bitte, Höllenfürst.«
Mit einem Mal war Saetans Ärger verschwunden. Er schloss die Augen. Ab und an geschah so etwas. Die Hölle war ein kaltes, grausames, verdorrtes Reich, doch sie besaß auch ihre freundlichen Seiten. Es war ein Ort, an dem die Angehörigen des Blutes Frieden mit ihrem Leben schließen konnten, an dem die Zeit aufgehoben schien und man sich um bislang unerledigte Angelegenheiten kümmern konnte.
Manche ließen dieses letzte Geschenk ungenutzt und ertrugen Wochen, Jahre oder Jahrhunderte der Langeweile, bevor sie endlich in die Dunkelheit eingingen. Andere verbrachten die Zeit damit, Talenten nachzugehen, die sie im Laufe ihres Lebens hatten verkümmern lassen, um stattdessen anderen Interessen nachzugehen. Wieder andere, die vorzeitig dahingerafft worden waren, lebten wie vor ihrem Tod weiter. Dujae war ganz plötzlich und völlig unerwartet in der Blüte seiner Jahre gestorben. Als er sah, dass er immer noch malen konnte, hatte er sein dämonentotes Dasein voll Freude akzeptiert.
Doch nun bat er Saetan, ihn von seinem toten Fleisch zu befreien und den letzten Rest seiner mentalen Kräfte zu verzehren, auf dass er zu einem Flüstern in der Dunkelheit werden konnte.
Es geschah ab und an. Glücklicherweise nicht oft, aber gelegentlich ließ der Wunsch weiterzuexistieren vor dem Versiegen der mentalen Kräfte nach. Wenn das passierte, suchte der betreffende Dämon ihn auf und bat ihn darum, rasch entlassen zu werden. Und da er der Höllenfürst war, respektierte er diese Bitten.
Saetan schlug die Augen auf und musste erst heftig blinzeln, um wieder klar sehen zu können. »Dujae, bist du dir sicher?«
»Ich …«
Da kam Karla in das Zimmer gestürzt. »Diese herrschsüchtige, parfümierte Kanalratte in ihren piekfeinen Kleidern behauptet doch tatsächlich, ich könne nicht zeichnen!« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie den Zeichenblock auf Saetans Schreibtisch schleuderte.
Er ließ seine Brille verschwinden, bevor der Block darauf landen konnte.
»So ein niederträchtiger Kerl!«, heulte Karla. »Das hier ist schließlich nicht mein Lebenswerk. Zeichnen gehört eben nicht zu meinen Talenten, aber es soll doch trotzdem Spaß machen!«
Saetan fuhr aus seinem Sessel empor. In den letzten drei Wochen hatten sich so viele Lehrer auf der Burg die Klinke in die Hand gegeben, dass er sich nicht entsinnen konnte, wie dieser spezielle Tor hieß. Doch wenn es dem Mann gelungen war, Karla zum Weinen zu bringen, wollte Saetan sich gar nicht erst vorstellen, welchen Schaden er bei Kalush und Morghann anrichtete; geschweige denn bei Jaenelle.
Dujae griff nach dem Zeichenblock.
»Nein!« Karla stürzte auf den Block zu. Sie war zu aufgebracht, um daran zu denken, dass sie ihn mithilfe der Kunst verschwinden lassen konnte, bevor Dujae ihn in die Finger bekam.
Karla stieß mit der Stirn gegen Dujaes Arm und stolperte rückwärts auf Saetan zu. Er schlang die Arme um sie und knirschte wütend mit den Zähnen. Es schmerzte ihn zutiefst, ihren Kummer mit ansehen zu müssen.
Dujae betrachtete die Skizze. Langsam schüttelte er den Kopf. »Grauenhaft.« Er blätterte in dem Block und sah sich die übrigen Zeichnungen an. »Obszön«, dröhnte er. Dann wies er grimmig mit dem Block in Karlas Richtung. »Du nennst ihn eine Kanalratte? Du bist noch zu höflich. Er ist ein …«
»Dujae«, fiel Saetan ihm warnend ins Wort; erstens, weil er
nicht wollte, dass Dujae Karla einen Kraftausdruck beibrachte, den sie vielleicht noch nicht kannte, und zweitens, weil er gespürt hatte, wie das Mädchen den Kopf gehoben hatte.
Nach einem Blick in Saetans Richtung atmete Dujae tief durch. »Er ist ein schlechter Lehrer«, beendete er den Satz matt.
Karla schniefte. »Du findest meine Zeichnungen auch nicht gut.«
Der Dämon schlug erneut das letzte Bild auf. »Was soll das sein?«,
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