Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
Hexensturm durfte nicht außer Acht gelassen werden. Lucivar war sich sicher, dass jemand diese Falle für ihn persönlich erschaffen hatte. Er würde Randahl danach fragen müssen, doch er vermutete, dass der erste Angriff der Jhinka ihnen nicht genug Zeit gelassen hatte, Vorräte in das Gebäude zu schaffen. Außerdem benötigte Jaenelle weitere Heilerinnen, um ihr bei den Verletzten zu helfen. Die Dunkelheit wusste, dass Jaenelle über die nötigen mentalen Reserven verfügte, um alle Verwundeten zu heilen, doch ihr Körper würde eine derartige Anstrengung nicht aushalten, besonders nicht nach den Drogen und den physischen Strapazen der letzten Tage.
Mal abgesehen davon war er nicht gerade für seinen passiven Widerstand bekannt.
Lucivar ließ seinen schwarzgrauen Ring verschwinden und rief sein rotes Geburtsjuwel herbei. Das schwarzgraue Juwel an seinem Hals würde den Schild speisen. Das rote …
»Sag deinen Männern, sie sollen sich dicht an dem Gebäude halten«, flüsterte er Randahl zu. »Es ist Zeit, den zahlenmäßigen Vorteil unserer Feinde ein wenig auszugleichen. «
Mit seinem trägen, arroganten Lächeln auf den Lippen hob er die rechte Hand und löste den Zauber aus, den er über viele Jahre geübt hatte, bis er ihn beherrschte. Sieben dünne mentale ›Blitze‹ schossen aus dem roten Juwel. Den Arm stets ausgestreckt, bewegte er den Ring gemächlich vor und zurück, wobei er stets darauf achtete, dem Haus nicht zu nahe zu kommen. Vor und zurück; hoch und herunter.
Das Blut der Jhinka rann den Schild herab. Die Körper der Angreifer rutschten hin und her, als diejenigen, welche die Gefahr erkannten, aus dem Haufen zu entkommen suchten, bevor der Arm erneut über sie hinwegfegte.
Als Lucivar mit der panikartigen Unruhe auf dieser Seite
des Schilds zufrieden war, ging er um das Gebäude, die Hand immer auf den Schild gerichtet.
Und die Jhinka starben.
Zu Beginn seines dritten Rundgangs hatten die Jhinka, die immer noch gegen den Schild anstürmten, allmählich die Panik derjenigen erfasst, die zu fliehen versuchten. Unter lautem Geschrei wandten sie sich von dem Schild ab und liefen auf die umliegenden Hügel zu.
Lucivar sog die mentalen ›Blitze‹ in seinen Ring zurück, beendete den Zauber und ließ langsam den Arm sinken.
Randahl, Adler und die beiden Krieger, die Lucivar noch nicht vorgestellt worden waren, starrten mit angeekelter Miene auf das viele Blut an der Außenhülle des Schutzschilds und die Leichenteile, die daran zu Boden glitten.
»Mutter der Nacht«, flüsterte Randahl. »Mutter der Nacht.«
Sie sahen ihn nicht direkt an. Allerdings konnte er an ihren besorgten Seitenblicken erkennen, dass sie befürchteten, hier innerhalb ihres Schutzschilds mit etwas viel Gefährlicherem als dem Feind eingeschlossen zu sein, der da draußen auf sie lauerte.
Sie hatten Recht.
»Ich sehe nach der Lady«, stieß Lucivar jäh hervor.
Als Hauptmann der Wache würde Randahl sich ihm gegenüber wieder normal verhalten, sobald er Gelegenheit gehabt hatte, sich ein paar Minuten lang zu beruhigen. Zumindest würde er auf das Protokoll zurückgreifen und sich so verhalten, wie es einem Kriegerprinzen gegenüber geziemend war. Doch die anderen …
Alles hat seinen Preis.
Lucivar ging auf die Vorderseite des Gebäudes zu und gewährte sich selbst einen Augenblick, um seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Wenn Angehörige des Blutes schon nicht mit einem Kriegerprinzen im Blutrausch umgehen konnten, würde es verwundeten Landen gewiss noch schwerer fallen. Und gerade jetzt konnte er eine Massenhysterie nicht gebrauchen. Ein Mann, der dabei war, den Blutrausch hinter sich zu lassen, benötigte jemanden, vorzugsweise eine
Frau, die ihm half, sein Gleichgewicht wiederzufinden. Dies war einer der vielen zarten Fäden, welche die Angehörigen des Blutes untereinander verbanden. Hexen waren zu den Zeiten, wenn sie verletzlich waren, auf jene aggressive männliche Stärke angewiesen; und Männer brauchten – manchmal verzweifelt – Schutz und Trost, die sie in der sanften Stärke einer Frau fanden.
Er brauchte Jaenelle.
Mit einem bitteren Lächeln betrat Lucivar das Gebäude. In diesem Augenblick wurde Jaenelle von allen gebraucht. Er hoffte – süße Dunkelheit, wie sehr er es hoffte! –, dass es ausreichen würde, sich in ihrer Nähe aufzuhalten.
In dem Gemeindehaus befanden sich verschieden große Räumlichkeiten für Feiern oder öffentliche Sitzungen. Zumindest nahm Lucivar an,
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