Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
übel beleumdete Tugend*, stieß er keuchend hervor, während er zu ihr emporkletterte.
Ihr silbernes, samtweiches Lachen erfüllte die Landschaft. Dann hatte er endlich Gelegenheit, sie in Ruhe zu betrachten. Er sank auf die Knie. *Ich stehe in deiner Schuld, Lady.*
Sie schüttelte den Kopf. *Ich stehe in deiner Schuld, nicht umgekehrt.*
*Ich habe dich enttäuscht*, meinte er verbittert mit einem Blick auf ihren gemarterten Körper.
*Nein, Daemon*, erwiderte Jaenelle sanft. *Ich habe dich enttäuscht. Du hast mich gebeten, den Kristallkelch zu heilen und in die Welt der Lebenden zurückzukehren. Und das habe ich getan. Aber ich glaube, ich habe meinem Körper niemals vergeben, dass er das Instrument war, dessen man sich bediente, um zu versuchen, mich zu zerstören. Also wurde ich seine ärgste Peinigerin. Das tut mir Leid, denn du schätzt diesen Teil von mir hoch.*
*Nein, ich schätze alles an dir hoch. Ich liebe dich, Hexe . Das werde ich immer tun. Du bist alles, was ich mir je erträumt habe.*
Sie lächelte ihn an. *Und ich …* Sie erschauderte und hielt
sich eine Hand an die Brust. *Komm. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.*
Sie floh durch die Felsen und war außer Sichtweite, bevor er sich bewegen konnte.
Er eilte ihr nach, immer der Glitzerspur folgend. Dann keuchte er auf, als sich ein erdrückendes Gewicht auf ihn senkte.
*Daemon.* Ihre Stimme drang schwach und voller Schmerzen an sein Ohr. *Wenn mein Körper überleben soll, kann ich nicht länger bleiben.*
Er kämpfte gegen das Gewicht an, das ihn zu zermalmen drohte. *Jaenelle!*
*Du musst langsam weitergehen. Ruh dich erst einmal aus. Ruhe dich aus, Daemon. Ich werde dir den Weg markieren. Bitte folge meinen Zeichen. Am Ende warte ich auf dich.*
*Jaenelle!*
Ein wortloses Flüstern. Sein Name, gesprochen, als sei es eine Liebkosung. Dann Stille.
Die Zeit hatte an Bedeutung verloren, während er dort zusammengerollt lag. Es kostete ungeheuer viel Kraft, sich an die glitzernde Spur zu halten, die nach oben führte, während er gleichzeitig machtvoll in die Tiefe gezogen wurde.
Mit glühendem Eifer hielt er sich an der Erinnerung an ihre Stimme fest, an ihrem Versprechen, dass sie auf ihn warten würde.
Später, viel später ließ das Zerren nach, und das niederdrückende Gewicht wurde allmählich leichter.
Das sternbesäte Band führte weiter nach oben.
Daemon begann zu klettern.
Surreal beobachtete, wie der Himmel heller wurde, und lauschte den Rufen und Flüchen der Wachen, die sie jedes Mal ausstießen, wenn sich die dunkle Kraft im gesamten Irrgarten gefährlich knisternd entlud. Die ganze lange Nacht hindurch hatten sich die Wächter mit Gewalt immer weiter zur Mitte des Labyrinths durchgekämpft, während Jaenelles Schilde Stück für Stück zerbrachen. Den Schreien nach zu
schließen, war es die Männer teuer zu stehen gekommen, überhaupt so weit vorzudringen, wie sie es bisher getan hatten.
In diesem Gedanken lag eine gewisse Befriedigung, doch gleichzeitig konnte Surreal sich vorstellen, was die überlebenden Wächter denjenigen antun würden, die sie in der Mitte des Irrgartens vorfinden würden.
»Surreal? Was ist los?«
Einen Moment lang brachte Surreal keinen Ton heraus. Jaenelles Augen wirkten tot und matt, das innere Feuer war erloschen. Ihre schwarze Juwelen sahen aus, als habe sie die darin gespeicherten Kräfte größtenteils aufgebraucht.
Surreal kniete neben Daemon nieder. Abgesehen vom Heben und Senken seiner Brust hatte er sich nicht gerührt, seitdem er zusammengebrochen war. »Die Wachen sind dabei, die Schutzschilde zu durchbrechen.« Sie versuchte, möglichst gelassen zu klingen. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, glaube ich.«
Jaenelle nickte. »Dann musst du mit Daemon fort von hier. Der grüne Wind verläuft über den Rand des Gartens. Meinst du, du kannst ihn erreichen?«
Surreal zögerte. »Bei den ganzen Kräften, die sich hier in der Umgebung entladen haben, bin ich mir da nicht so sicher.«
»Zeig mir deinen grauen Ring.«
Sie streckte die Hand aus.
Jaenelle strich mit ihrem schwarzen Ring über Surreals grauen.
Ein mentaler Faden schoss aus den Ringen, als sie einander berührten, und Surreal konnte fühlen, wie das grüne Netz an ihr zerrte.
»So«, keuchte Jaenelle atemlos. »Sobald du springst, wird dich der Faden in das grüne Netz ziehen. Nimm das Signalnetz mit dir und zerstöre es vollständig, sobald sich dir die Gelegenheit dazu bietet.«
Da regte sich Daemon und stöhnte leise
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