Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
Abgesehen davon war der Südturm immer Hekatahs Reich gewesen, und sie hatte bei jedem ihrer zahlreichen Renovierungsprojekte geheime Treppenaufgänge und falsche Mauern errichten lassen, sodass es ganze Zimmer gab, die niemand kannte, und die immer noch durch ihre Zauber im Verborgenen lagen. In einem dieser Räume würde er Zuflucht finden.
Jedenfalls, wenn er dorthin gelangen konnte.
Greer ließ die Hände in die Manteltaschen gleiten, als er den Schutz des Wacholdergebüsches hinter sich ließ und zielstrebig auf den Südturm zuging. Das war eine der Regeln eines guten Attentäters: Verhalte dich so, als ob du an den betreffenden Ort gehörst. Sollte ihn jemand sehen, hoffte er, für einen Händler oder besser noch einen Gast gehalten zu werden.
Als er endlich die Tür des Südturms erreichte, wandte er sich langsam nach links, wobei er mit der Hand die Steine nach dem Riegel abtastete, mit dem sich der geheime Eingang öffnen ließ. Leider konnte Hekatah sich nicht mehr genau erinnern, wie weit der Eingang von der Tür entfernt lag, weil es schon so lange her war, und sie noch dazu dafür gesorgt hatte, dass die Veränderungen, die sie an der Burg in Kaeleer vorgenommen hatte, auf keinen Fall mit denjenigen in Terreille übereinstimmten.
Als er schon glaubte, zur Tür zurückkehren und seine Suche von vorne beginnen zu müssen, fand er den abgebröckelten Mauerstein mit dem versteckten Schnappriegel. Einen Augenblick später befand er sich bereits im Innern des Turms und stieg eine schmale steinerne Treppe empor.
Kurze Zeit später musste er feststellen, wie sehr die Dunkle Priesterin ihn getäuscht – oder sich selbst geirrt hatte.
Im Südturm gab es keinerlei luxuriös eingerichtete Zimmerfluchten, keine verzierten Betten, eleganten Sofas, Läufer,
Vorhänge, Tische oder Sessel. Jedes einzelne Zimmer war leer und säuberlich gefegt.
Greer fasste sich mit der Hand an das schwarze Seidentuch an seinem Hals und versuchte, die aufsteigende Panik zu unterdrücken.
Ausgekehrt und leer. Genau wie die geheime Treppe, die eigentlich voller Staub und Spinnweben hätte sein müssen; was nur eines bedeuten konnte: Sie war bei weitem nicht so geheim, wie Hekatah annahm.
Er versuchte Trost in dem Gedanken zu finden, dass es ohnehin bedeutungslos sei, da er ja bereits tot war. Doch er hatte sich mittlerweile lange genug im Dunklen Reich aufgehalten, um Geschichten darüber aufzuschnappen, was mit Dämonen passiert war, die dem Höllenfürsten in die Quere gekommen waren; und er hatte nicht die geringste Lust, am eigenen Leib zu erfahren, inwieweit diese Geschichten der Wahrheit entsprachen.
Er kehrte in das Gemach zurück, das einst Hekatah gehört hatte, und begann eine systematische Suche nach den verborgenen Räumlichkeiten.
Auch diese Zimmer waren sauber und leer. Entweder hatten ihre Zauber mit der Zeit nachgelassen, oder jemand anderer hatte sie gebrochen.
Es musste aber doch einen Ort geben, an dem er sich verstecken konnte! Die Sonne stand bereits zu hoch, und das Sonnenlicht schwächte ihn und zehrte ihn aus – trotz des vielen frischen Blutes, das er zuvor getrunken hatte. Wenn sämtliche Räume entdeckt worden waren …
Endlich stieß er auf einen weiteren versteckten Raum innerhalb eines versteckten Raumes. Im Grunde handelte es sich eher um eine Abstellkammer, und Greer hatte nicht die leiseste Ahnung, wozu dieses Kabuff gedient haben mochte. Es war jedoch ekelerregend schmutzig, voller Spinnweben und von daher sicher.
Den Rücken an eine Wand gelehnt, schlang Greer sich die Arme um die Knie und wartete.
3Kaeleer
A ndulvar klopfte energisch an die Tür des Arbeitszimmers und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Als er in den hinteren Teil des Zimmers einbog, blieb er jäh stehen, da Saetan hastig – und ziemlich schuldbewusst – ein Buch versteckte, in dem er soeben noch gelesen hatte.
Beim Feuer der Hölle, dachte Andulvar, während er sich in einen Sessel sinken ließ, der dem Schreibtisch gegenüberstand. Wann hatte Saetan das letzte Mal derart entspannt ausgesehen? Dort saß er, der Höllenfürst, in Hausschuhe und einen schwarzen Pullover gekleidet. Die Füße hatte er lässig auf den Tisch gelegt. Als er ihn so sah, bedauerte Andulvar es, dass die Tage längst vorbei waren, als sie in eine Schenke hätten gehen und sich über ein paar Bierkrügen hitzige Wortgefechte hätten liefern können.
Saetans offensichtliches Unbehagen amüsierte Andulvar. »Beale sagte mir, dass du hier
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