Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
Surreal. » Entgegenkommen? Ja, weißt du denn nicht, was Dorothea und Hekatah ihnen antun werden?«
Natürlich wusste er das, weitaus besser als sie.
In Surreals Stimme lag jetzt ein giftiger Unterton. »Wirst du zumindest Jaenelle davon erzählen?«
»Ja, ich fürchte, man wird die Lady von dieser Unannehmlichkeit in Kenntnis setzen müssen.« Er verließ das Zimmer, während Surreal immer noch laut vor sich hin fluchte.
Er wünschte, sie hätte geweint. Er wünschte, sie hätte geschrien, gebrüllt, getobt, geflucht und bittere Tränen vergossen. Was sollte er mit dieser stillen Frau tun, die er die letzte Stunde auf seinem Schoß gewiegt hatte?
Die Neuigkeiten hatte er ihr so schonend wie möglich beigebracht. Sie hatte nichts gesagt, nur den Kopf auf seine Schulter gelegt und sich nach innen gewandt, war so tief in den Abgrund hinabgestiegen, dass er sie nicht einmal mehr ertasten konnte.
Also hielt er sie in den Armen. Manchmal streichelten und liebkosten seine Hände sie – nicht um sie zu erregen, sondern um sie zu beruhigen. Er hätte sie durchaus mit Sex zurücklocken können, doch das hätte ihr Vertrauen in ihn verletzt – und das würde er gewiss nicht riskieren. Wenn seine Hand auf ihrer Brust zu liegen kam, dann nur, um sich zu vergewissern, dass ihr Herz noch schlug. Jeder warme Atemzug, der an seiner Kehle entlangstrich, war ein unausgesprochenes Versprechen, dass sie zu ihm zurückkehren würde.
Nachdem zwei Stunden vergangen waren, rührte sie sich endlich. »Was wird jetzt deiner Meinung nach geschehen?«,
fragte sie, als sei zwischen der Bekanntgabe der Neuigkeiten und ihrer Frage keinerlei Zeit verstrichen.
»Selbst auf den schwarzen Winden hätte Saetan zwei Stunden benötigt, um nach Hayll zu gelangen. Wir wissen nicht, wann er aufbrach …«
»Aber mittlerweile müsste er dort angekommen sein.«
»Ja.« Er hielt inne und dachte noch einmal darüber nach. »Lucivar und Saetan sind nicht der Preis. Sie sind die Köder. Und Köder verlieren an Wert, wenn man sie beschädigt. Von daher glaube ich, dass sie im Moment in relativer Sicherheit sind.«
»Dorothea und Hekatah erwarten von mir, dass ich ihnen Kaeleer übergebe, um Lucivar und Papa zurückzubekommen, nicht wahr?« Als er ihr die Antwort schuldig blieb, hob Jaenelle den Kopf und musterte ihn eingehend. »Nein. Das wäre nicht genug, was? Um Kaeleer halten zu können, müssen sie mich kontrollieren und meine Kraft benutzen können, um es zu beherrschen.«
»Ja. Lucivar und Saetan sind die Köder. Du bist der Preis.« Daemon strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Wie nah stehst du davor, deinen … Zauber fertig zu stellen?« Er wusste, dass es weit mehr als ein Zauber war, aber das Wort war so gut wie jedes andere.
»Noch ein paar Stunden.« Sie bewegte sich ein wenig mehr. »Ich sollte mich wieder daranmachen.«
Er hielt sie fester umschlungen. »Noch nicht. Bleib noch ein wenig länger bei mir sitzen. Bitte.«
Sie entspannte sich in seinen Armen. »Wir werden sie zurückholen, Daemon.«
Vater. Bruder. Er schloss die Augen und drückte seine Wange an ihren Kopf, da er die Wärme und den Körperkontakt so dringend brauchte wie die Luft in seinen Lungen. »Ja«, murmelte er, »wir werden sie zurückholen.«
17 Kaeleer
Ladvarian betrachtete die Kammer, die eine Zeit lang Hexe beherbergen würde. Auf dem Steinboden lag ein alter Teppich, den er in der Burg besorgt hatte. Außerdem hatte er zwei Kerzenleuchter mitgenommen sowie viele Duftkerzen. Das schmale Bett, das Tersa ihm gegeben hatte, stand in der Mitte der Kammer. Der Schrankkoffer befand sich daneben. Er war angefüllt mit Kleidung, ein paar Büchern, die Jaenelle gerne las, wenn sie sich ins Bett kuscheln und einen Tag lang ausruhen musste, ihre Lieblingsmusikkristalle und Gegenstände, die sie zum Striegeln benötigte. Bilder hatte er keine mitgebracht, weil drei Wände und die Decke der Kammer von etlichen Schichten heilender Netze verhüllt waren. Im rückwärtigen Teil der Kammer befanden sich all die Verworrenen Netze aus Träumen und Visionen, die den lebenden Mythos geformt hatten, Fleisch gewordene Träume, Hexe .
*Ist es fertig?*, fragte er respektvoll die gewaltige goldene Spinne, die Traumweberin.
*Netz fertig ist*, erwiderte die arachnianische Königin und strich behutsam mit einem Bein über einen der Blutstropfen.
*Jetzt ich Erinnerungen hinzufüge. Aber … brauche menschliche Erinnerungen.*
Ladvarians Nackenhaare sträubten sich. * Unser Traum
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