Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
anzugreifen, werden wir letzten Endes
keinen Ort haben, um Gegenwehr zu leisten, wenn die terreilleanischen Heere hier eintreffen.«
»Sie werden in den nächsten Tagen nicht den Befehl erhalten, in Kaeleer einzufallen. Danach wird es keinen Unterschied mehr machen.«
»Weil wir dann gezwungen sein werden, uns zu ergeben«, versetzte Gabrielle ungehalten.
Karlas Hand legte sich fester um Gabrielles Arm. Sie war nicht sehr kräftig, doch die Geste reichte aus, um den Zorn der anderen Königin im Zaum zu halten – zumindest im Moment.
»Wird Kaeleer überhaupt in den Krieg gegen Terreille ziehen? «, fragte sie.
»Nein«, antwortete Jaenelle. » Kaeleer wird nicht in den Krieg gegen Terreille ziehen.«
Die eigenartige Betonung ließ Karla das Blut in den Adern gefrieren. Die Art, wie Gabrielles Arm sich unter ihrer Hand anspannte, verriet ihr, dass die andere Frau es auch wahrgenommen hatte.
»Wer wird dann gegen Terreille in den Krieg ziehen?«
Janelle drehte sich zu ihnen um.
Gabrielle sog scharf die Luft ein.
Zum ersten Mal erblickten sie den Traum unter dem Fleisch.
Karla starrte auf die spitz zulaufenden Ohren, die von den Dea al Mon stammten; die Hände mit den einziehbaren Krallen, ein Erbe der Tigerlaner; die Hufe, die unter dem schwarzen Kleid hervorlugten, mochten von den Zentauren oder den Einhörnern herrühren. Ganz besonders starrte sie jedoch auf das winzige, spiralförmige Horn.
Der lebende Mythos. Fleisch gewordene Träume. Doch hatte sich jemals einer von ihnen wirklich Gedanken darüber gemacht, wer die Träumer gewesen sein mochten?
Kein Wunder, dass die verwandten Wesen sie lieben. Kein Wunder, dass wir alle sie lieben!
Karla räusperte sich leise, um ihre Frage zu wiederholen, obwohl sie auf einmal hoffte, dass sie nicht beantwortet würde. »Wer wird dann gegen Terreille in den Krieg ziehen?«
»Ich«, sagte Hexe .
Kapitel 15
1 Terreille
Halbblind vor Schmerzen, die ihm im Laufe der letzten beiden Tage zugefügt worden waren, beobachtete Saetan, wie Hekatah auf ihn zukam und ihn lange und ausgiebig musterte. Sobald einer von beiden Frauen der Sinn danach gestanden hatte, hatten sie und Dorothea seinen Ring des Gehorsams eingesetzt, doch vorsichtiger als zuvor, sodass er nicht mehr vor Schmerzen das Bewusstsein verlor. Schlimmer noch war der Umstand, dass sie ihn auch bei Tageslicht an den Pfahl gekettet ließen. Nachdem die Schmerzen ihn bereits geschwächt hatten, hatte die Nachmittagssonne seine Reserven weiter angegriffen und in seinen Augen gebrannt, bis er Kopfschmerzen bekam, die so heftig waren, dass nicht einmal die Pein des Rings sie überdecken konnte.
Stück für Stück hatten die Qualen jegliche belebende Wirkung zunichte gemacht, die Jaenelles Stärkungstränke auf ihn ausgeübt hatten. Sein Körper war wieder auf den Stand zurückgefallen, den er gehabt hatte, als er ihr zum ersten Mal begegnet war – mehr dämonentot als lebendig.
Wäre er in der Lage, die Verwandlung vom Hüter zum Dämonentoten schnell zu durchlaufen, hätte er diese Möglichkeit vielleicht in Betracht gezogen – die Art Übergang von der einen Existenzform in die andere, wie Andulvar und Prothvar sie vor all den langen Jahrhunderten auf dem Schlachtfeld miterlebt hatten. Sie waren beide so sehr vom Kampfrausch gepackt gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatten, tödlich verwundet worden zu sein. Wenn er es auf diese Weise tun könnte, würde er es vielleicht in Erwägung ziehen. Es wäre ein Leichtes, sich eine Ader aufzuschlitzen und zu verbluten, und seine jetzigen Schmerzen würden auch nachlassen. Doch
dann wäre er verletzlicher, und ohne die Zufuhr frischen Blutes würden ihn die Sonnenstrahlen so sehr schwächen, dass er Jaenelle eine Last wäre, anstatt an ihrer Seite kämpfen zu können, wenn sie endlich kam.
Wenn Jaenelle endlich käme. Falls Jaenelle jemals kam. Sie hätte längst reagieren müssen, hätte mittlerweile hier sein müssen – wenn sie überhaupt vorhatte, her zu kommen.
»Ich denke, es ist an der Zeit, Jaenelle ein weiteres Geschenk zu schicken«, sagte Hekatah, deren Jungmädchenstimme nun von dem verformten Kiefer beeinträchtigt und nur schwer verständlich war. »Noch ein Finger?« Sie bediente sich des gleichen Tonfalls, den eine andere Frau benutzen mochte, während sie abwog, welche Speise sie am besten zum Abendessen servieren sollte. »Vielleicht diesmal ein Zeh. Nein, zu unbedeutend. Ein Auge? Zu entstellend. Wir wollen ja nicht, dass sie meint, du
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