Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
vertragen kein Tageslicht – jedenfalls heißt es so in den Legenden –, von daher würde ich annehmen, dass Lucivar ziemlich lebendig ist.«
»Na, kannst du dann nicht vernünftig mit ihm reden? Ich habe eine Passiermünze und einen Besucherpass für drei Monate. Ich bin nicht hergekommen, um einen Dienstvertrag an irgendeinem Hof zu unterzeichnen. Der Tag, an dem ich springe, wenn dieser Hurensohn mit den Fingern schnippt, ist der Tag, an dem die Sonne in der Hölle scheint.«
»Unterschätze Lucivar nicht«, murmelte Daemon, während er zusah, wie sein Bruder das Mitglied des Dunklen Rates beobachtete, das die Verträge ausstellte.
Bevor Surreal etwas erwidern konnte, hatte Wilhelmina sich zu ihnen gestohlen. »Prinz Sadi«, brachte sie mit ängstlich bebender Stimme hervor. »Lady.«
»Lady Benedict«, erwiderte Daemon formell, während Surreal bestätigend nickte.
Wilhelmina warf Lucivar, der sich nun mit dem älteren eyrischen Krieger unterhielt, einen furchtsamen Blick zu. »Er ist unheimlich«, flüsterte sie.
Mit einem boshaften Lächeln erhob Surreal die Stimme: »Wenn ein Mann derart enge Hosen trägt, schlägt ihm der darin herrschende Platzmangel selbstverständlich aufs Gemüt. «
Aaron, der ganz in ihrer Nähe stand, erlitt einen Hustenanfall, als er versuchte, sein Lachen zu ersticken.
Mit einem Seufzen beobachtete Daemon, wie Lucivar sein Gespräch beendete und auf sie zukam. Warum kannte er keinen Zauber, der Surreal die nächsten Stunden ihrer Stimme beraubte?
Einen Schritt vor ihnen blieb Lucivar stehen, ohne darauf zu achten, dass Wilhelmina vor ihm zurückwich. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Surreal. Er lächelte das träge, arrogante Lächeln, das normalerweise die einzige Vorwarnung war, dass sich ein Kampf anbahnte.
Surreal ließ die rechte Hand sinken, sodass ihr Arm locker an ihrer Seite baumelte.
Da es sich dabei um ihr Warnsignal handelte, ließ Daemon die Hände aus den Hosentaschen gleiten und verlagerte leicht sein Gewicht. Er war darauf gefasst, sie aufzuhalten, sollte sie töricht genug sein, Lucivar gegenüber ein Messer zücken zu wollen.
»Du bist Titians Tochter, nicht wahr?«, erkundigte sich Lucivar.
»Was geht das dich an?«, versetzte sie fauchend.
Einen Augenblick lang musterte Lucivar sie. Dann schüttelte er den Kopf und murmelte: »Du wirst uns nichts als Ärger bereiten.«
»Dann solltest du mich vielleicht besser gehen lassen«, sagte Surreal süßlich.
Lucivar stieß ein tiefes, boshaftes Lachen aus. »Du täuscht dich gewaltig, kleine Hexe, wenn du glaubst, ich werde einer Harpyienkönigin erklären, warum ihre Tochter an einem anderen Hof gelandet ist, obwohl ich hier war.«
Surreal entblößte die Zähne. »Meine Mutter ist keine Harpyie. Und ich bin keine kleine Hexe. Abgesehen davon werde ich keinen Vertrag unterschreiben, der dir die Kontrolle über mich gibt, verflucht noch mal!«
»Das werden wir ja sehen«, meinte Lucivar.
Daemons Hand legte sich um Surreals rechten Unterarm, Aaron umklammerte ihren linken.
Die Glocke, die das Ende des Dienstbasars einläutete, erklang dreimal.
Surreal fluchte zornentbrannt, wohingegen Lucivar einfach nur lächelte.
Da drehten sie sich alle zu der lautstark protestierenden Männerstimme um, die von dem Tisch zu ihnen herüberdrang.
Daemons Blick fiel auf den pedantisch gekleideten Mann am Tisch, der eifrig dabei war, Papiere glatt zu streichen, wobei er den aufgebrachten jungen Eyrier vor sich ignorierte.
Mit gefletschten Zähnen schritt Lucivar auf den Tisch zu, glitt durch die Warteschlange und blieb neben dem Mann stehen, der immer noch tat, als bemerke er die Leute nicht.
»Gibt es ein Problem, Lord Friall?«, fragte Lucivar freundlich.
Friall schüttelte die Rüschen an seinen Handgelenken zurück und fuhr fort, die Papiere einzusammeln. »Die Glocke, die den Basar beendet, hat geläutet. Sollten diese Leute immer noch verfügbar sein, wenn du morgen zum Angebotstag kommst, kannst du sie laut der Regel des ersten Angebots unter Vertrag nehmen.«
Daemon versteifte sich. Lord Jorval hatte ihm die Regel des ersten Angebots, die auf dem Basar herrschte, mehrfach erklärt. Im Laufe des Basars hatten die Einwanderer das Recht, ein Angebot, an einem bestimmten Hof zu dienen, abzulehnen. Sie konnten abwarten, ob noch ein Angebot von einem anderen Hof kam, oder um eine bessere Position feilschen. Doch der Tag nach dem Dienstbasar war der so genannte Angebotstag. Es gab nur eine Wahl. Die Einwanderer
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