Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
ich entsinne mich.«
Er grinste. Es war eigenartig, wie unendlich lebendig und unbeschwert er sich fühlte. »Lass uns Surreal und Lucivar abholen, damit wir unser kleines Spielchen spielen können.«
Surreal ließ den Blick durch das angrenzende Zimmer schweifen, in dem sich ebenfalls unzählige Menschen drängten. Es schien, als befände sich jeder einzelne Adelige aus Amdarh in dem überfüllten Haus. »Es hat mehr Spaß gemacht, solche Feste zu besuchen, als ich noch eine Hure war.«
Lucivar, der neben ihr stand, sah sich ebenfalls in dem Zimmer um. »Warum?«
»Die zimperlichen Luder zu beobachten, wie sie versuchten, sich nicht allzu sehr über meine Anwesenheit zu entrüsten, war beinahe so unterhaltsam, wie den Männern zuzusehen, mit denen ich geschlafen hatte, und die sich beinahe in die Hosen machten, weil sie Angst hatten, ich könnte es bei ihren zimperlichen Freundinnen ausplaudern. Da man mich mittlerweile ebenfalls für ein Mitglied einer Adelsfamilie hält, habe ich jegliches Interesse an diesen kleinen Abendveranstaltungen verloren.«
»Du wirst nicht für ein Mitglied einer Adelsfamilie gehalten«, knurrte Lucivar. »Du bist ein Mitglied einer Adelsfamilie.«
»Wie dem auch sei.«
»Wir sind nun schon eine Stunde hier. Du musst nicht bleiben.«
»Ich bin ja nicht wegen des Essens oder der Unterhaltung hier. Der Dunkelheit sei Dank!«
Den größten Teil seiner unwirsch geflüsterten Antwort verstand sie nicht, außer dem Wort Mondblutung .
»Es ist der vierte Tag«, sagte sie mit beleidigter Genauigkeit. »Ich kann meine Juwelen wieder tragen.«
»Das wissen die Männer hier aber nicht«, fuhr er sie an. »Sie werden nur deine Signatur wittern. Du könntest dir genauso gut ein Schild um den Hals hängen, auf dem steht: ›Ich bin verletzlich. Greift mich an.‹«
Sie schenkte ihm ein herausforderndes Lächeln. »Genau. Mit jedem Mann, der mich erblickt und das Wort ›Opfer‹ auf meiner Stirn geschrieben sieht, möchte ich gerne einen kleinen Plausch unter vier Augen führen.«
Er musterte sie lange und abschätzend. Sie kannte diesen Blick. Auf diese Weise wog Lucivar ab, ob ein Krieger Aussichten hatte, ein Schlachtfeld zu betreten und nach dem Kampf wieder heil davon zurückzukehren.
»Du hast deine Messer dabei?«, fragte er.
»Ich war früher nicht nur Hure, sondern auch Kopfgeldjägerin, schon vergessen? Ja, ich habe meine Messer dabei.«
»Sind sie geschliffen?«
»Ja. Soll ich sie zum Beweis an dir ausprobieren?«
Er starrte sie sprachlos an.
Surreal seufzte. Da Lucivar Eyrier war, ein Kriegerprinz und ein Familienmitglied, war es sinnlos, mit ihm über Waffen zu streiten. Sie entschied sich, das Thema zu wechseln. »Was ist mit Daemon und Jaenelle los? In der Kutsche auf dem Weg hierher lagen sie einander in den Armen, und nun …« Sie runzelte die Stirn. »Nun hat Daemon diesen Gesichtsausdruck …«
»Seine Hofmaske.«
Es befiel sie Unbehagen, da Lucivar sich auf einmal verspannte, und sich ein wachsamer Unterton in seine Stimme schlich. »Seine was?«
»So sah er immer an den terreilleanischen Höfen aus, als er noch Lustsklave war. Kalt. Gelangweilt. Sein Gesicht war eine Maske, die nichts von seinen wahren Gedanken verriet. Es war eine Miene, die besagte: ›Meinen Körper könnt Ihr berühren, aber niemals mich .‹«
Das lenkte sie ab. »Er hat sich von den Ludern anfassen lassen - und sie blieben am Leben?«
»Dass sie am Leben blieben, habe ich nicht gesagt«, erwiderte Lucivar düster.
Surreal erschauderte. Dann setzte sie ihren ursprünglichen Gedankengang fort: »Dann ist da Jaenelle. Erst ist alles in Ordnung, und im nächsten Augenblick scheint es fast so, als würde sie den Gerüchten Glauben schenken.«
»Beim Feuer der Hölle«, sagte Lucivar. »Das ist das Spiel. Daemon meinte, dass sie herausfinden wollen, wer hinter den Gerüchten steckt. Und sie probieren es auf diese Weise.«
Bei der bloßen Vorstellung verkrampfte sich ihr Magen. Als sie das letzte Mal an einem von Daemons »Spielchen« beteiligt gewesen war, hatte der Sadist jeden in Angst und Schrecken versetzt, der ihm begegnete.
»Es ist ein Spiel«, wiederholte Lucivar. »Er kennt seinen Part. Mutter der Nacht, er hat ihn im Laufe der Jahrhunderte wirklich oft genug gespielt!«
»Und Jaenelle tut so, als schwanke sie, ob sie die Gerüchte von sich weisen soll, oder ob doch ein Fünkchen Wahrheit dahinterstecken könnte?«
»Darauf tippe ich jedenfalls.« Er seufzte. »Komm
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