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Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht

Titel: Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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angefahren hatte, passte so gar nicht zu dem Bild, das er sich von ihr gemacht hatte. »Sie verhielt sich nicht, wie ich es von ihr erwartet hätte.« Er runzelte die Stirn. »Ich hatte sie als ruhige Frau eingeschätzt, aber …«
    Lucivar zuckte mit den Schultern. »Das ist sie normalerweise auch, aber wenn man sie ärgert, kann sie wirklich aufbrausend werden.«
    Aufbrausend. Ja, das war ein gutes Wort, um die Frau zu beschreiben, die er am Morgen erlebt hatte.
    Lucivar setzte das Glas so sorgfältig ab, dass Saetan der Verdacht beschlich, es koste ihn seine ganze Selbstbeherrschung, es nicht gegen die Wand zu werfen.
    »Wird sie fortgehen?«, fragte Lucivar. »Sollte ich wegbleiben, bis sie …« Er schluckte hart und brachte es nicht fertig, den Satz zu beenden.
    Darin, schoss es Saetan durch den Kopf, lag Lucivars Angst begründet: Dass die Frau, die er liebte, die Frau, der er in den letzten Monaten so vorsichtig den Hof gemacht hatte, nichts von ihm wollte, als die Gelegenheit, ihm zu entkommen. Zu diesem Zeitpunkt würde Lucivar ihm jedoch nicht glauben, dass Flucht das Letzte war, woran Marian im Moment dachte.
    »Darf ich dir einen Rat geben?«, fragte Saetan. »Nicht als dein Vater oder Haushofmeister, sondern als ein Mann, der sich heute Morgen mit Marian unterhalten hat.«
    Seelenqualen spiegelten sich in Lucivars goldenen Augen wider, als er sagte: »Wie lautet dein Rat?«
    Saetan schenkte ihm ein trockenes Lächeln. »Setz deinen Hintern in Bewegung, damit du nicht zu spät zum Abendessen nach Hause kommst.«
     
    Sie war in der Küche und richtete Brotscheiben und Käse auf Tellern an, während von einem Topf auf dem Herd ein köstlicher Duft aufstieg. Wie oft war er nach Hause gekommen und hatte sie bei der Zubereitung des Abendessens angetroffen,
ihr warmes Lächeln eine Labsal für sein Herz, das sich so viele Jahrhunderte lang nach Liebe verzehrt hatte? Jetzt war er unsicher, was er ihr sagen und was er tun sollte.
    »Marian.«
    Sie blickte zu ihm auf, und die Traurigkeit in ihren Augen versetzte ihm einen Stich.
    »Ich war nicht sicher, ob du zurückkommen würdest«, sagte sie und machte sich wieder daran, das Brot und den Käse zu verteilen.
    »Ich war mir nicht sicher, ob du wolltest, dass ich zurückkomme«, entgegnete er ehrlich.
    Sie setzte zum Reden an, schüttelte dann den Kopf und griff nach den Tellern. »Iss etwas.« Die Teller landeten mit einem Scheppern auf der Arbeitsfläche. Ihre Schultern waren vornübergebeugt, als erwarte sie, verprügelt zu werden. »Du hättest nicht fortlaufen müssen. Ich habe nichts von dir erwartet. Du hättest nicht weglaufen müssen.«
    Doch, das hatte er. Allerdings war er nicht weit gelaufen. Nur hinab in den Obstgarten, wo er sich nicht in Sichtweite des Horstes befand, während er sich vor Erleichterung übergab, dass er keine sichtbaren Verletzungen an ihr entdeckt hatte. Er hatte unglaubliche Angst gehabt nachzusehen, als er am Morgen erwacht war. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie in die Küche gekommen war, hatte er nicht gewusst, was Panik wirklich bedeutete.
    »Es ist schwierig zu erklären«, sagte er. Als sie sich zu ihm drehte, und er die Tränen in ihren Augen sah, zuckte er unwillkürlich zusammen.
    »Wie soll eine Frau es verstehen, wenn es ihr niemand erklärt?«
    »Ich kann mich nicht erinnern!«
    Jetzt war es an ihr zusammenzuzucken. Dann flüsterte sie: »Ich war also bloß ein Körper.«
    Lucivar schüttelte den Kopf. »Oh, ich kann mich an dich erinnern, Marian. Deinen Geschmack, deinen Geruch, die Geräusche, die du von dir gegeben, wie du dich angefühlt hast, als ich dich streichelte. Wie sich mein Schwanz in dir anfühlte.
Ich erinnere mich an dich . Aber ich weiß nicht mehr …« Er schloss die Augen. »Ich kann mich an dies und das erinnern, Augenblicke, die durcheinander geworfen und in einen gewaltsamen roten Dunst gehüllt sind, der sich auf irgendeine Art und Weise entladen musste. Aber …«
    War er nicht den ganzen Tag über genau davor davongelaufen? Dieses eine Bild vor seinem geistigen Auge. Er hatte sich bis zur Erschöpfung verausgabt, denn jedes Mal, wenn er an sie dachte, brannte heißes Verlangen in ihm, doch er konnte sie nicht darum bitten, die Nacht mit ihm zu verbringen. Er konnte nicht. Wegen dieses einen Erinnerungsfetzens. Doch er musste sie fragen. Musste es wissen. Sie konnte nicht hier bei ihm bleiben, wenn er nicht erfuhr, wie kurz er davor gestanden hatte, sie umzubringen.
    Er schlug die Augen auf und

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