Die schwarzen Juwelen 07 - Blutskönigin
»ob etwas wachsen will«?
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Theran. »Machst du dir Sorgen wegen des Abendessens im Bergfried heute?«
Warum sollte Gray sich keine Sorgen machen? Er machte sich schließlich auch Sorgen. Immerhin hatten sie es nicht entweder mit dem Höllenfürsten oder mit Sadi oder mit Yaslana zu tun, sondern mit allen dreien. Soweit es ihn betraf, waren das drei gute Gründe, um Alpträume zu bekommen.
Doch zumindest war dieses Abendessen das richtige Druckmittel gewesen, um Cassidy davon abzuhalten, zu dem Konzert in der Stadt zu fahren. Sie war enttäuscht gewesen – und sauer auf ihn -, aber sie hatte seine »Bitte«, auf dem Anwesen zu bleiben und keine Risiken einzugehen, akzeptiert.
Die Dunkelheit allein wusste, welche Ausrede er sich beim nächsten Mal ausdenken musste, wenn sie sich dem Volk von Dena Nehele zeigen wollte.
»Cassie will die Samen, die sie aus Dharo mitgebracht hat, nicht einpflanzen«, sagte Gray leise, ohne den Blick von dem Pflanztopf vor ihm abzuwenden. »Als ich sie heute
Morgen gefragt habe, warum sie sich keinen Platz im Garten für sie ausgesucht hat, meinte sie, es wäre vielleicht ein Fehler, sie einzupflanzen. Meinte, dass etwas, das nicht aus Dena Nehele stammt, vielleicht nicht versuchen sollte, hier Wurzeln zu schlagen.«
»Klingt vernünftig«, sagte Theran. »Wir wollen schließlich nicht, dass unsere eigenen Pflanzen verdrängt werden, weil etwas anderes in unser Land gebracht wurde.«
»Sie hat damit nicht die Pflanzen gemeint«, erklärte Gray. »Nicht wirklich.« Mit einem schweren Seufzer sah er Theran an. »Ich liebe dich, Theran, und ich bin dir dankbar dafür, wie du dich in den letzten Jahren um mich gekümmert hast.«
»Das ist nichts, wofür du dankbar sein müsstest«, grummelte Theran. »Wir sind eine Familie.« Und du hättest niemanden gebraucht, der sich um dich kümmert, wenn du mich nicht beschützt hättest.
»Wenn Cassie nach Dharo zurückkehrt, werde ich mit ihr gehen.«
Das schockierte ihn. Machte ihm Angst. Zeigte ihm einen möglichen Verlust, der nichts mit der räumlichen Entfernung zu tun hatte, die sie trennen würde.
»Gray«, hauchte er. »Gray, das ist deine Heimat. Hier. In Dena Nehele.«
»Sie glaubt nicht, dass es hier irgendetwas für sie gibt. Sie glaubt nicht, dass sie Wurzeln schlagen und ihr Leben hier verbringen kann.«
»Du sprichst hier von Dharo«, betonte Theran. »Davon, nach Kaeleer zu gehen.«
Gray nickte. »Ich habe den ganzen Morgen darüber nachgedacht, seit sie das mit dem Wurzeln schlagen gesagt hat.« Er verlagerte sein Gewicht so, dass er auf den Steinfliesen zum Sitzen kam. »Wenn Cassie hier nicht hingehört, weil ihre Blutlinie an einem anderen Ort ihren Ursprung hat, gehören wir dann überhaupt hierher, Theran?«
»Was?«
»Ich schätze, du gehörst schon hierher, weil du von den
Grayhavens abstammst, aber was mich angeht, frage ich mich das wirklich.«
»Beim Feuer der Hölle, Gray. Muss ich eine Karte holen und dir das Dorf zeigen, in dem du geboren wurdest? Ein Dorf in Dena Nehele?«
»Aber meine eigentliche Herkunft liegt dort nicht«, widersprach Gray. »Ich kann meine Blutlinie auf mütterlicher Seite bis zu Thera und Blaed zurückverfolgen.«
»Das kann ich ebenfalls«, fauchte Theran. »Unsere Mütter waren Schwestern, schon vergessen?«
»Thera und Blaed sind mit Lia über das Tamanara Gebirge gekommen und haben sich dann in Dena Nehele niedergelassen.«
»Um Lia zu dienen.«
»Sie haben Wurzeln geschlagen und sich hier ein Leben aufgebaut, aber sie stammten nicht aus Dena Nehele. Genauso wenig wie Jared. Er kam aus Shalador. Und sein Volk, diejenigen, die über die Berge kamen, um vor der Zerstörung ihres Territoriums zu fliehen … Ist bei der Verteidigung von Dena Nehele genug shaladorisches Blut geflossen, um den Überlebenden das Recht zu verschaffen, hier Wurzeln zu schlagen?«
»Gray …« Der Gedanke ließ ihn innehalten – und sich fragen, wie Ranon auf diese Frage antworten würde.
»Ich werde mit ihr gehen«, wiederholte Gray. »Wenn sie mich haben will.«
So hatte sein Cousin noch nie mit ihm gesprochen. »Was würdest du denn in Dharo tun?«
Gray zuckte mit den Schultern. »Ich würde mir Arbeit suchen. Vielleicht könnte ich für Cassies Vater arbeiten.«
Ein Kriegerprinz mit Purpur-Juwelen, der für einen Krieger arbeitete, der Tigerauge trug? Was dachte Gray sich nur?
Wenn er sich überhaupt etwas dabei dachte.
Wenn irgendetwas davon überhaupt
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