Die schwarzen Juwelen 08 - Blutsherrschaft
keinen ganzen Tag damit verschwenden, etwas hinterherzulaufen, das Shira nicht erklären konnte. Aber letzte Nacht war sie wieder zur Fauchkatze geworden und hatte darauf bestanden, er müsse heute nach Grayhaven reisen.
Das war ungerecht, schalt sich Ranon, während er durch die Straßen ritt und eine düstere Nervosität von ihm Besitz ergriff. Sie Fauchkatze zu nennen tat der Intensität ihrer Gefühle letzter Nacht Unrecht. Und als er sich ihre ernste Miene in Erinnerung rief, welche Sorge in ihrem Blick gelegen hatte … Irgendetwas trieb sie dazu, ihn zu bedrängen, doch diesmal hatte das Verworrene Netz ihr nur die Eingebung geschenkt, wann etwas geschehen würde, nicht aber was.
Jetzt, da er hier war, wünschte er sich, er hätte Archerr oder Shaddo gebeten, ihn zu begleiten.
Diese Stadt fühlte sich nicht mehr richtig an. Oder, eher noch, die Stadt begann sich anzufühlen wie die Städte und Dörfer während der vergangenen Generationen: mutlos, schicksalsergeben, argwöhnisch. Zornig. Er ritt durch das Einkaufsviertel und bekam den seltsamen Eindruck, die Ladenbesitzer ließen ihre Schaufenster mit Absicht schmutzig und fegten die Gehwege nicht mehr, um nicht das Interesse bestimmter Kunden zu erregen.
Wie das der Aristokraten. Oder Königinnen.
Du musst nicht hoch zum Herrenhaus, hatte Shira gesagt.
Reite einfach an den Orten vorbei, die wir besucht oder an denen wir eingekauft haben. Dann höre auf dein Herz.
Er hätte etwas weniger Kryptisches gebrauchen können. Aber vielleicht waren die Antworten ja da. Die Frauen, bei denen sie die Pflanzen gekauft hatten, die Gray für den Garten des Herrenhauses brauchte, hatten ihn gefragt, ob die Rose-Königin wieder nach Grayhaven zurückkehren würde. Einige der Ladenbesitzer waren aus ihren Geschäften getreten, um zu fragen, ob der Hof zurückkäme. Er hatte die Hoffnung gehört, die in den Fragen mitschwang. Und die stumpfe Resignation in ihren Blicken gesehen, als er ihnen mitteilte, Cassidy und ihr Hof blieben in Eyota.
Er hielt an einer Taverne, um ein kleines Bier zu trinken. Es war später Morgen, seiner Meinung nach zu früh für Alkohol, aber er war hineingegangen, weil man an einem solchen Ort oft einen guten Eindruck davon bekam, was die Männer dachten – und für die Tageszeit waren zu viele Männer anwesend. Das allein war schon kein gutes Zeichen.
Warum sah Theran nichts davon? Der Mann sollte diese Stadt regieren. Warum beherzigte er die Warnungen nicht, die doch so deutlich waren? Grayhaven war die Hauptstadt Dena Neheles. Als Cassidy vor ein paar Wochen abgereist war, hatte es erste Anzeichen gegeben, dass die Menschen die Jahre des Krieges und der Misshandlung durch die verdorbenen Königinnen abschüttelten. Jetzt waren die neu eröffneten Läden wieder geschlossen, leer. Jetzt eilten die Menschen mit derselben vornübergebeugten Achtsamkeit über die Straßen, die für die Menschen in ganz Dena Nehele so typisch gewesen war.
Was tat Theran, dass die Leute so reagierten? Ranon mochte ihn nicht, aber das lag an ihren unterschiedlichen Charakteren. Es bedeutete nicht, dass Theran kein guter Mensch oder Kriegerprinz war. Also warum unternahm er nichts, um zu richten, was immer hier vor sich ging?
Ranon ritt weiter durch die Straßen. Das Gefühl der Unruhe nahm zu. Feindeslager. Feindesland. Sein Instinkt sollte
ihm derlei Dinge nicht sagen, aber er konnte fühlen, wie er sich innerlich auf einen Kampf vorbereitete.
Als er das Wachhaus erreichte, das die Grenze zwischen der Blutstadt und dem Landenviertel markierte, zögerte er einen langen Augenblick, bevor er sein Pferd vorantrieb und die Straße hinunterritt.
Es herrschte eine bedrohliche Atmosphäre. Als er auf den Kunsthandwerkermarkt zuritt, legte er einen hautengen Opal-Schild um sich. Wo waren die Handwerker? Wo die Waren?
Er sah hinüber zu der Stelle, an der die Weberfamilie ihren Stand gehabt hatte und sah, wie James Weaver auf ihn zukam. Sein Blick war düster, zornig und kampfbereit.
»Prinz«, sagte James, »auf ein Wort.« Er hielt inne, als hätte er gerade noch erkannt, dass er eine Art Herausforderung ausgesprochen hatte. Dann fügte er hinzu: »Wenn du erlaubst.«
Ranon sah den Mann an, schätzte die Wut ab, die er in seinen Augen sah. Shira und er waren oft hierhergekommen, als Shira JuliDees Gesicht behandelt und das Auge versorgt hatte, das sie dank zweier Krieger-Bastarde beinahe verloren hätte. Diese Besuche, sowie seine und Shiras Gegenwart unter diesen
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