Die schwarzen Juwelen 08 - Blutsherrschaft
gestattete er sich eine Erinnerung an den Augenblick, in dem sie ihm eine Seite von Hexe gezeigt hatte, die ein Vater nie zu Gesicht bekommen würde.
Und er gestattete sich einen Moment, um seinen Sohn zu beneiden – und sich zu wünschen, er hätte der Geliebte sein können, nicht der Vater.
Kapitel drei
TERREILLE
A uf einen Ellbogen gestützt betrachtete Ranon, wie Shira nach dem Höhepunkt, der das Finale eines Abends voller langem, bewusstem und intensivem Liebeswerben gewesen war, langsam wieder zu Bewusstsein kam.
Bevor sie an Cassidys Hof zusammengekommen waren, hatten sie ihre Liebe fünf Jahre lang schnell und verstohlen vollzogen, da sein Interesse ungewollte Aufmerksamkeit auf die Frau gelenkt hätte, die sowohl Heilerin als auch eine Schwarze Witwe war. Fünf Jahre, in denen er versucht hatte, sich von ihr fernzuhalten, und doch nie widerstehen konnte, sie zu sehen. Fünf Jahre, in denen Liebe und Angst untrennbar miteinander verwoben gewesen waren.
Zweimal fünf Jahre eigentlich, zählte er die Zeit hinzu, bevor sie zu Liebenden geworden waren. Er war zwanzig Jahre alt gewesen und gewöhnte sich noch an die Macht der Opal-Juwelen, die ihn erfüllte, seit er der Dunkelheit sein Opfer dargebracht hatte. Sie war erst sechzehn – eine junge Schwarze Witwe, dem Stundenglassabbat geboren, die noch am Anfang der geheimen Ausbildung stand, die ihr die Feinheiten der Kunst beibringen sollte, die sie instinktiv besaß. Und auch ihre offizielle Ausbildung zur Heilerin hatte gerade erst begonnen.
Beide waren zu Besuch bei Freunden in einem fremden Dorf. Sie hatten sich zufällig getroffen, als ihre Begleiter zum Mittagessen dieselbe Taverne ausgesucht hatten. Und diese Begegnung hatte ihre Hoffnungen und Träume die nächsten zehn Jahre lang geprägt.
Dank Cassidy konnten er und Shira nun offen zusammen sein, die Nacht miteinander verbringen, sich ein gemeinsames
Leben aufbauen. Schon das allein hätte Cassidy seine Loyalität gesichert. Die Tatsache, dass sie sich als weit stärkere Herrscherin erwies, als sie alle es von einer Königin mit Rose-Juwelen erwartet hatten, brachte ihr seinen Respekt und eine ganz andere Art der Liebe ein. Ihr Wille war sein Leben, und er würde alles tun, was in seiner Macht stand, um ihr zu helfen, Dena Nehele zu regieren – und damit würde er dem Volk der Shalador mehr Gutes tun, als er sich je erträumt hatte.
»Was schaust du so?«, fragte Shira. In ihren dunklen Augen stand neben der Erregung ihres Liebesspiels ein Hauch Belustigung. Seine Gedanken hatten das Schlafzimmer verlassen, doch sein Blick war an ihrem Busen hängengeblieben.
Er senkte den Kopf und küsste sie mit warmen Lippen zwischen die Brüste, bevor er sagte: »Ich betrachte eine Shalador-Schönheit.«
Ihre Antwort bestand aus einem kurzen Schnauben. »Ich weiß, wie ich aussehe.«
»Aber du siehst nicht, was ich sehe«, erwiderte Ranon. Ihn hielt man für einen gut aussehenden Mann. Die für sein Volk typischen kantigen Züge verliehen seinem Gesicht eine wilde Schönheit, die gut zum schlanken Körper eines Kriegers passte. Er hatte die dunklen Augen, das dunkle Haar und die goldene Haut, die die Shalador von den dunkelhäutigen langlebigen oder den hellhäutigen Völkern, wie dem Volk von Dena Nehele, unterschied.
Auch sie trug das Aussehen ihres Volkes, und viele Männer waren der Meinung gewesen, ihre ausgeprägten Gesichtszüge und die nicht allzu üppigen Kurven machten sie weniger attraktiv – und ihre scharfe Zunge und ihr Temperament hielten die meisten Männer zusätzlich davon ab, ihr zu nahezukommen. Doch genau das war es, was ihn auf eine Art und Weise erregte, die er von keiner anderen Frau kannte, und er verstand, warum Gray Cassidy ansah – die selbst ihr wohlwollendster Anhänger nicht hübsch nennen konnte – und eine wunderschöne Frau erblickte.
Shira wandte den Kopf ab, eine ausweichende, für sie untypische Bewegung.
Er dachte über seine Worte nach. Du siehst nicht, was ich sehe. Dann dachte er an das Wesen der Kunst einer Schwarzen Witwe und fühlte, wie sich Kälte in seinen Eingeweiden ausbreitete.
»Shira? Hast du etwas in einem Verworrenen Netz gesehen? «
»Ich kann nicht darüber sprechen.«
»Kannst es nicht oder willst es nicht?«
»Kann nicht, will nicht. Es macht keinen Unterschied, wie man es nennt.«
Für ihn machte es einen Unterschied. Seine Stimme wurde flach. »Du hast etwas in einem Verworrenen Netz der Träume und Visionen gesehen. Nicht
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