Die schwarzen Juwelen 08 - Blutsherrschaft
wahr?«
»Ich kann nicht darüber sprechen, Ranon. Keine von uns spricht darüber.«
Die Kälte in seinen Eingeweiden gefror zu scharfkantigem Eis. »Wie viele Schwarze Witwen haben es gesehen?«
Sie seufzte, ein Ton voller Verzweiflung und einem Anflug von Zorn.
Er rückte von ihr ab und schlang die Arme um seine angezogenen Knie. Er hatte kein Recht, sie zu drängen. Wenn sie das Gefühl hatte, er müsse etwas wissen, hätte sie es ihm erzählt. Beim Feuer der Hölle! Sie war diejenige gewesen, die ihn dazu gedrängt hatte, nach Grayhaven zu reisen, als Theran die Kriegerprinzen das erste Mal zusammengerufen hatte, um mit ihnen darüber zu sprechen, eine Königin aus Kaeleer zu holen. Damals hatte sie auch kein Wort gesagt. Nur, dass er gehen müsse.
Der Stundenglassabbat gab nicht preis, was er in seinen Verworrenen Netzen sah. Jedenfalls nicht häufig. Und nicht direkt. Doch eine Schwarze Witwe schlug nie ohne Grund vor, etwas Bestimmtes zu tun.
»Hat es etwas mit Cassidy zu tun?«, fragte er.
Sie antwortete nicht.
»Shira …« Er wusste nicht, was er sagen sollte.
Schließlich fragte Shira leise: »Wer hält deine Loyalität, Prinz Ranon? Wer steht auf der Liste ganz oben?«
Es zerriss ihm das Herz, aber sie hatte ihn gefragt. Und da er ihr nichts geben konnte außer Ehrlichkeit, musste er die Worte aussprechen. »Ich liebe dich von ganzem Herzen, aber meine erste Loyalität gilt der Königin. Dann dir, dann unserem Volk, dann Dena Nehele.«
Sie setzte sich auf und legte eine Hand an seine Wange. Als er sie ansah, sagte sie eindringlich: »Erinnere dich an die Reihenfolge dieser Liste. Halte dich mit allem daran fest, was du bist.«
Warnte sie ihn, dass Cassie etwas zustoßen könnte, wenn sie in die Shalador-Reservate reiste?
»Halte dich genauso daran fest, wie du an deiner Ehre festgehalten hast«, fuhr Shira fort.
Und darin lag die Antwort: Cassidy, die Königin, kam vor allem und jedem anderen – seiner Geliebten, seinem Volk, seinem Land.
Die Visionen der Verworrenen Netze wurden nicht immer Wirklichkeit. Manchmal warnten sie vor etwas, das geschehen könnte. Shira teilte ihm mit, dass seine Entscheidungen Konsequenzen hatten. Seine Entscheidungen. Und ohne ihren eigenen Ehrenkodex zu verletzen, hatte sie ihm gesagt, wie seine Entscheidung ausfallen musste.
In dieser Nacht lag er wach, während Shira schlief, und starrte an die dunkle Decke ihres Schlafzimmers. Er erkannte, dass sich Angst sowohl mit Hoffnung als auch mit Liebe paaren konnte, und dass er nichts tun konnte, außer für die beiden Frauen, die jetzt den Mittelpunkt seines Lebens bildeten, sein Bestes zu geben.
Kapitel vier
KAELEER
D aemon bog um eine Ecke und stieß ein Knurren aus – was seinen Widersacher nur dazu veranlasste, die kleinen Beine noch schneller zu bewegen.
Beim Feuer der Hölle. Er hatte nur eine Minute nicht hingesehen, als er Daemonars Sachen für die Rückkehr nach Hause zusammenpackte. Eine verdammte Minute! Länger hatte der Junge nicht gebraucht, um wie ein Pfeil von der Sehne aus dem Schlafzimmer zu schießen.
Gut, wenn das für diesen Besuch ihr letzter Wettbewerb war, würde er nicht verlieren.
Er würde verlieren.
Als er erkannte, dass die Treppe hinunter ins private Empfangszimmer – und den großen Saal dahinter – das Ziel des Jungen waren, rannte er. Der Kleine war zu schnell, um die Stufen ohne einen schweren Sturz zu überstehen.
Fast hatte er ihn. Wenn er Daemonar nicht aufhalten konnte …
Der Junge breitete die kleinen membranartigen Flügel aus und schwang sich über das Geländer.
Einen Moment lang dachte Daemon darüber nach, das Geländer zu überspringen und Kunst einzusetzen, um auf der Luft nach unten zu schweben, aber das war kein einfacher Trick, ganz gleich wie leicht es Jaenelle immer aussehen ließ. Und da er ihn nicht regelmäßig anwandte – jedenfalls nicht bis vor ein paar Tagen –, könnte eine Fehleinschätzung mit einem gebrochenen Bein enden. Oder Schlimmerem.
Wenigstens war die Tür zum großen Saal geschlossen, dachte Daemon, während er die Treppe hinunterrannte. Wenigstens
wusste das kleine Biest noch nicht, wie man sich durch ein festes Objekt bewegte. Wenigstens würde er dem fliegenden Jungen nur in einem geschlossenen Raum hinterherjagen.
In diesem Moment öffnete Holt die Tür – und Daemonar hielt gezielt auf den Kopf des Lakaien zu. Holt duckte sich erschrocken, Daemonar flog an ihm vorbei in den großen Saal und stieß ein glückliches
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