Die schwarzen Juwelen 08 - Blutsherrschaft
Kreis aufzunehmen«, sagte Ranon.
Der Tatsache, dass er ihr das bereits zum vierten Mal erzählte – und dabei sowohl verteidigend als auch entschuldigend klang –, entnahm Cassidy, dass der Shalador-Kriegerprinz hinsichtlich dieses Treffens nicht so gelassen und zuversichtlich war, wie es schien. Und auch Shiras Gelassenheit hatte immer mehr abgenommen, je näher dieser Tag rückte.
»Alles wird gutgehen, Ranon«, sagte Cassidy. »Ich bin mir sicher, dass alles ohne Zwischenfälle abläuft.« Sie hoffte es, denn dieser Besuch würde festlegen, ob man ihr erlaubte, den Menschen hier eine Königin im eigentlichen Sinne zu sein oder ob sie ein Symbol blieb, das die Kriegerprinzen zum Wiederaufbau Dena Neheles einsetzten. Der Hexensturm, den Jaenelle Angelline vor zwei Jahren ausgesandt hatte, hatte die durch Dorothea SaDiablo verdorbenen Blutleute hinweggerafft. Die darauf folgenden Landenaufstände
kosteten das Leben vieler mehr. Die Überlebenden mussten nicht nur dafür Sorge tragen, den Frieden in ihrem eigenen Territorium zu wahren, sie mussten auch stark genug bleiben, um alle Blutleute abzuwehren, die versuchen könnten, das Territorium Dena Neheles von außen anzugreifen, um alles mitzunehmen, was man bei einem Kampf gewinnen könnte.
»Es wird gutgehen«, wiederholte Shira.
Cassidy bemerkte, wie Ranon es vermied, Shira anzusehen, als könne ein Blick in diesem Moment ihr Vertrauen verraten. Sie fragte sich, was die Schwarze Witwe wusste, das die beiden Shaladorianer so sehr daran zweifeln ließ, dass überhaupt irgendetwas gutgehen würde.
Sie waren ein stolzes, heruntergekommenes Volk.
Da er kein offizielles Mitglied des Ersten Kreises war, stand Gray im Hintergrund und sah zu, wie Lady Nimarr, die älteste Shalador-Königin, Cassie den anderen Königinnen der Shalador-Reservate offiziell vorstellte. Cassie hatte einige der Frauen vor ein paar Tagen kennengelernt, als sie nach Grayhaven gekommen waren und um eine Audienz gebeten hatten, also schlussfolgerte Gray, dass die Vorstellung für die Leute stattfand, die sich versammelt hatten, um sich die Königin von Dena Nehele anzusehen.
Dann wurden einige Traditionshüter vorgestellt, unter anderem Ranons Großvater, ein Hüter der Musik.
Gray blickte zu Theran, dessen Gesicht in einem Ausdruck zwischen Sturheit und gezwungener Höflichkeit eingefroren schien, dann zu Ranon, der groß und stolz dastand – aber nicht selbstbewusst, trotz seines Bemühens, so zu wirken. Für Ranon hing zu viel von diesem Treffen ab, um dem Ausgang selbstbewusst entgegenblicken zu können.
Gray beobachtete, wie Cassie mit den Traditionshütern sprach. Ihr Blick war stets auf Lord Yairens Gesicht gerichtet, doch er kannte sie gut genug, um zu erkennen, wie viel
Anstrengung es sie kostete, nicht auf die verkrüppelten Hände des alten Mannes zu blicken. Und er war sich sicher, sie wusste, dass seine Behinderung nicht dem Alter oder einem Unfall zuzuschreiben war.
Die Königinnen trugen neue Kleider mit einfachem Schnitt, darüber fein bestickte Westen – alte Westen, die sorgfältig gepflegt und wahrscheinlich nur zu besonderen Anlässen getragen wurden. Auch die Traditionshüter hatten ihre besten Kleider angelegt, doch selbst die begnadetsten Schneiderinnen könnten nicht alle Nähte und Flicken dieser Kleidung verstecken. Gray bewunderte die Männer und Frauen dafür, dass sie keine Illusionszauber einsetzten, um wenigstens diese eine Wahrheit über die Reservate zu verbergen.
Sein Leben in den geheimen Geächtetenlagern des Tamanara-Gebirges war hart gewesen. Diese Menschen hatten ein verzweifeltes Leben geführt, hatten mehr – und Schlimmeres – ertragen als jeder andere in Dena Nehele. Schuld daran war Dorothea SaDiablos Hass auf Jared.
Wen wunderte es, dass Ranon so verbittert und wütend darüber war, wie man sein Volk behandelt hatte? Wen wunderte es, dass er jede Gelegenheit nutzte, um Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wie die Shalador lebten – und was ihnen fehlte?
Doch erhoffte Ranon sich mehr, als Cassie geben konnte?
Der Dunkelheit sei Dank, die Feierlichkeiten waren vorüber. Wenigstens bis zu dem Fest am Abend, das man ihr zu Ehren veranstaltete.
Ehre, dachte Cassidy, als sie ihr Haar kämmte. Das Volk der Shalador hatte an seiner Ehre festgehalten, als es nichts anderes mehr gab, was ihm hätte Halt bieten können. Diese Wahrheit sah sie in ihren dunklen Augen, hörte sie in ihren leisen Stimmen. Anders als Ranon, der seinem Volk eine Stimme
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