Die schwarzen Juwelen 08 - Blutsherrschaft
hätte man ihm eins mit der Zaunlatte übergezogen. Was sie ihm jetzt antun würde, tat ihr leid, aber im Moment hatte das Mädchen Priorität. »Ich stamme nicht aus einer Adelsfamilie, Prinz Ranon. Wir hatten noch nie Diener. Und auch wenn ich der Kaste nach eine Königin bin, bin ich doch auch eine Tochter. Wenn meine Mutter also am Putztag Lappen und Wischmob hervorgeholt hat, habe ich abgestaubt, Möbel poliert und mit ihr den Boden gewischt. Und wenn ich an der Reihe war, das Badezimmer zu putzen, habe ich meinen Bruder jedes Mal verflucht.« Sie sah Ranon direkt in die Augen. »Wie kommt es, dass ein Mann auf hundert Schritte die Mitte einer Zielscheibe trifft und trotzdem seinen Strahl nicht ganz in die Kloschüssel bekommt, wenn er genau davor steht?«
Janos und Gray standen mit offenem Mund da. Ranon, der arme Mann, sah aus, als wolle er sich in Luft auflösen.
Doch es war das unterdrückte Prusten der jungen Königin, das Cassidy verriet, dass sie ihr Ziel erreicht hatte. Später würde sie mit dem Mädchen darüber reden, wie man angemessen mit einem Kriegerprinzen sprach, dessen Juwelen den ihren überlegen waren.
Sie lächelte in die Runde. »Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich möchte mir den Gemüsegarten ansehen.« Als sie davonging, fügte sie auf einem weiblichen Speerfaden hinzu, *Vae, hab ein Auge auf die Männer, ja? Stell sicher, dass sie noch atmen.*
Eins, zwei, drei …
*Ranon? Ranon! Atmest du?*
Na also, dachte Cassidy. Bis sich Ranon, Gray und Janos aus Vaes Aufmerksamkeit befreit hatten, wäre Reyhana längst bei den älteren Frauen – die Ranon nicht ohne guten Grund beleidigen würde.
Als sie den Gemüsegarten erreichte, blieb sie stehen.
Es hätte guter Boden sein sollen, doch er war öd und karg, und die Pflanzen, die sich hier nach oben kämpften, würden nicht genügend Ertrag bringen, um die Menschen zu versorgen. Das Land dürstete nicht nach Wasser, der Boden war noch immer weich, ein sicheres Zeichen, dass in den letzten ein oder zwei Tagen ein langer Regen gefallen war. Nein, es dürstete nach der Verbindung zu einer Königin, nach diesem notwendigen Geben und Nehmen, das das Land gesund hielt.
Warum hatten die Königinnen der Shalador diese Arbeit vernachlässigt? , fragte sich Cassidy, als sie am Rande des Beets niederkniete. Sie waren sich der Notwendigkeit doch sicher bewusst. Hatten sie sich so gefürchtet, Aufmerksamkeit zu erregen, dass sie sich dieser einen Sache nicht angenommen hatten, die so vielen geholfen hätte? Oder hatten sie aufgehört, weil sie erkannten, dass man ihnen das Land wegnehmen würde, wenn sie es reicher machten als den Rest Dena Neheles, indem sie den Traditionen folgten? Ranon
hatte ihnen erzählt, dass die Reservate nur noch halb so groß waren wie zu der Zeit, in der Lady Grizelle und Lady Lia diesen Teil Dena Neheles zu Land erklärten, das dem Volk der Shalador gehörte.
Wie auch immer, es war an der Zeit, dass sie diese königliche Pflicht nicht länger vernachlässigten.
Sie wandte sich nicht um. Wenn sie ihn ansah, würde Gray sich ihr anschließen – und zu viele Einwände erheben. Die Zeremonie konnte später kommen. Erst würde sie ihnen zeigen, warum; dann würde sie ihnen zeigen, wie.
Cassidy rief ein Messer mit kurzer Klinge herbei und schnitt sich in die Handflächen beider Hände. Als das Blut floss, ließ sie das Messer verschwinden und presste ihre Hände auf das Erdreich – und sandte die Kraft ihrer Rose-Juwelen durch ihr Blut in den Boden.
So durstig. So bedürftig. So lange so leer.
Kraft floss, verteilte sich im Gemüsegarten wie süßer Regen. Das Land war der wahre Ursprung und das Herz der Macht der Blutleute. Sie waren die Hüter der Reiche. Das bedeutete mehr als Städte und Zivilisation. Es war mehr als Musik und Literatur, mehr als die Herrschaft über die Landen. Die Verbindung zum Land war ein bedeutender Teil dessen, was die Blutleute zu dem machte, was sie waren. Die Königinnen dienten als Brücke, denn ihre Macht stützte das Land.
So durstig. So bedürftig. Der Boden nahm alles auf, was sie zu geben vermochte. Sie konnte fühlen, wie das Land unter ihren Händen antwortete, mehr wollte. Alles wollte.
»Cassie?«
Nur noch ein klein wenig. Ein bisschen konnte sie noch geben. Bald wäre das Land gesättigt und würde aufhören zu fordern.
»Cassie . «
So durstig. So bedürftig. So sehr gewollt zu werden.
Plötzlich floss die Macht zu schnell, zu stark. Doch sie konnte sich nicht
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