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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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konnten.
    Die alten Sitten und Bräuche waren in Auflösung begriffen.
    Selbst die Vernichtung der Hamoi Tong und das eindeutige Wissen, wo Jiros wirkliche Schuld lag, brachte nur wenig Erleichterung. Denn obwohl die eine Bedrohung für die Acoma nicht mehr existierte, hinderten die Erhabenen sie daran, eine große Beleidigung ihrer Ehre zu rächen.
    Maras Rückreise mit einer Flußbarke zu ihrem Heimatland war eine Notlösung gewesen, um den Schmerz und die Verwirrung in Schach zu halten, denn in Wahrheit wußte sie keinen vernünftigen Ort, an dem sie die Lösung zu den sie verfolgenden Problemen suchen sollte.
    Mara schloß die Augen; sie wurde leicht durchgeschüttelt, als die Träger tiefer in die Tunnel marschierten. Die Luft hier war wärmer und voll der fremden Düfte des Schwarms. Die Lichtkugeln waren jetzt weiter voneinander entfernt, und die Geräusche eiliger Arbeiter verblaßten. Das Geräusch der Sandalen der Menschen überwog jetzt das Klicken der Chitin-Klauen. Mara wußte, daß sich ihre Gruppe der Höhle der Königin näherte. Doch der Weg war ihr längst nicht mehr so vertraut wie früher. Seit ihrem letzten Besuch waren die grob behauenen Wände und Bogengänge glattpoliert oder mit Schnitzereien und Wandteppichen geschmückt worden. Wenn die Anordnung von Farben und Troddeln für das menschliche Auge auch ungewohnt war, so hatte es doch einen außerordentlichen Effekt. Die Veränderungen schienen seltsam unpassend zu den Eindrücken, die wie unberührte Erinnerungen in ihrem Kopf waren. Doch den silbrigen Haaren nach zu urteilen, die sich an den Schläfen bildeten, war es fast, als besuche Mara ihre Kindheit. Das Haus, wo sie als Kind gespielt hatte, wo sie zum ersten Mal geheiratet und ein Kind zur Welt gebracht hatte, wo sie ihre Lust auf Macht entwickelt hatte, schien auf den ersten Blick noch das gleiche zu sein – bis sie mit einem Stich in der Brust bemerkte, daß Schweigen herrschte, wo einst ein junger Sohn tobend durch die Korridore gestürmt war. Sie hatte große Einsamkeit verspürt. Nicht nur Ayaki hatte sie verloren. Die nur zu bekannte Umgebung brachte mit dem Trost auch Kummer. Bei den Göttern, wie sie sich danach sehnte, ihren rothaarigen Barbaren Kevin von Zun wiederzusehen, der sie die Bedeutung der Liebe und des Frauseins in den Kekah-Gärten gelehrt hatte; und Nacoya, ihre einstige Amme und Erste Beraterin, deren Schelte und weiser Rat mehr als einmal ein Unglück verhindert hatten. Wieder strömten Tränen aus Maras Augen. Obwohl Kevin sie häufig mit seinem halsstarrigen, unerzogenen Verhalten zur Weißglut getrieben hatte und Nacoyas kleinliches Pochen auf Korrektheit manchmal eine Behinderung gewesen war, vermißte sie beide. Das Verständnis, das sie mit Hokanu geteilt hatte, das diese verlorenen Beziehungen ersetzt hatte, war bis vor kurzem eine Bastion der Unfehlbarkeit gewesen. Doch seit seiner Bedenken wegen der Geburt einer Tochter schwebte ein Schatten zwischen ihnen. Sie war noch immer böse auf ihn. Mara rieb mit den Seidenärmeln über ihre Wangen. Der Stoff würde Wasserflecke bekommen, doch das kümmerte sie nicht! Es hatte beinahe die Auslöschung ihres Geschlechtes bedurft, um Hokanu erkennen zu lassen, wie dringend sie Justin als Erben für die Acoma benötigte.
    Jetzt schuf Hokanus unverständliches Zögern, Kasuma als Erstgeborene der Shinzawai anzuerkennen, eine neue Mauer zwischen ihnen. Ein Sohn, und nur ein Sohn, würde ihn zufriedenstellen, so schien es. Als könnte sie nicht in Zukunft noch einen Jungen bekommen. Oder als hätte er nicht das Recht als Herrscher, ein Dutzend Konkubinen zu nehmen, um ihm zu diesem Sohn zu verhelfen. Nein, die Botschaft hinter seinem Verhalten war schmerzhaft klar: Was er bei seiner Frau akzeptieren konnte, fand er unvorstellbar bei einer Tochter, nämlich daß eine Frau der Herrschaft über ein großes Haus würdig war.
    Wie so oft in vergangenen Zeiten, wenn die Verzweiflung sie zu entmutigen drohte, suchte Mara in den Cho-ja-Tunneln nach einer anderen Perspektive, einem anderen Blickwinkel, der ihr zu neuen Ideen verhelfen konnte.
    Eine leichte Berührung riß Mara aus ihren Überlegungen; Lujan deutete mit einem leichten Nicken nach vorn und erinnerte sie daran, daß sie die Kammer der Königin erreicht hatten.
    Während ihre Sänfte durch den letzten Bogen hindurchgetragen wurde, an Reihen kauernder Wachen vorbei, die so reglos waren, daß sie auch schwarzglänzende Statuen hätten sein können, nahm Mara wieder

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