Die schwarzen Wasser von San Marco
aber er schlug ihre Hand weg, und sie zupfte ihn sogleich am Hosenlatz, was die anderen Männer zu erneutem Gelächter bewegte.
Niemand achtete mehr auf mich. Ich erhob mich und verließ den Saal, ohne mich umzudrehen.
Die Anordnung der Räume entsprach in etwa derjenigen von Enrico Dandolos Haus. Der Saal zog sich nicht über die gesamte Tiefe des Gebäudes hin; ein Bereich, der die Größe des im hintersten Teil des Baus liegenden Innenhofs einnahm, war abgetrennt. Eine seitlich an der Stirnwand des Saals angebrachte Tür führte hinein. Ich betrat ein großes, leeres Zimmer, das scheinbar Chaldenbergens Wohn- und Arbeitsraum gewesen war. Es gab nur auf einer Seite Fenster, die in den Innenhof hinausführten, und es war so dunkel, dass ich eine Weile benötigte, um festzustellen, ob es weitere Türen gab, was jedoch nicht der Fall war. Eine Fackel wäre hilfreich gewesen, aber eine von der Wand zu nehmen hätte garantiert alle Aufmerksamkeit auf mich gelenkt.
Ich ging zurück in den Saal, wo nun schon mehrere Tänzerinnen den Weg auf die Kissen gefunden und die verbliebenen einen neuen Tanz begonnen hatten, dessen Ziel im Wesentlichen daraus bestand, sich gegenseitig die Verschnürungen der Obergewänder aufzuzupfen. Die Tür, die in den Innenhof führte, konnte ich außer Acht lassen, sie würde mich nur aus dem Gebäude führen. Ich war noch nicht auf dem Abtritt gewesen und schlug den Weg dorthin ein. Ein bleicher, schwitzender Mann kam mir entgegen, und ich trat beiseite, um ihn in den Saal zu lassen. Er dankte mir mit einem Kopfnicken und verdrehte zugleich die Augen, während er die Pfauenfeder, mit der er sich in der Kehle gekitzelt hatte, wieder in sein steifes Barett nestelte. Ich nickte zurück und drückte mich an ihm vorbei.
Zu meinem Erstaunen stand ich in einem weiteren Treppenhaus. Die Treppe war schmal und hätte auch in einen Wachturm führen können, was vielleicht früher auch einmal der Fall gewesen war. Eine Reihe Fackeln an den Wänden erhellte sie zur Genüge. Chaldenbergen würde das Mädchen wohl kaum im Erdgeschoss in den Gesindekammern untergebracht haben, und da im ersten Geschoss keine Schlafzimmer zu finden gewesen waren, nahm ich an, diese und damit auch Caterinas Aufenthaltsort unter dem Dach zu finden. Ich stieg zum Dachgeschoss hinauf. Auf halber Höhe gab es einen Treppenabsatz und eine schmucklose Holztür darin: der Abtritt. Jemand taumelte heraus und mir fast in die Arme. Er murmelte etwas, machte sich hastig los und stolperte die Treppe hinunter. Er schien lange darauf gewartet zu haben, dass der Mann mit der Pfauenfeder ihm Platz machte; zu lange. Als er die Hose nach unten gerollt hatte und sich eben setzen wollte, waren seine Därme explodiert, und er hatte außer dem dafür vorgesehenen Loch alles andere getroffen. Der Gestank war bestialisch und der Abtritt vor einer gründlichen Reinigung durch einen unglücklichen Dienstboten vollkommen unbenutzbar. Der Verursacher der Schweinerei drängte sich unten zur Saaltür hinein, um sich wieder ins Getümmel zu stürzen und jede Spur zu seiner Person zu verwischen. Ich hörte das Plätschern der Zisterne viele Fuß tief unten, die die Abfälle normalerweise aufnahm und in den benachbarten rio transportierte. Im vorliegenden Fall war die kluge Architektur völlig nutzlos. Ich ließ die Tür zufallen und machte, dass ich aus dem Dunstkreis des Aborts kam.
Außerhalb des kleinen Kämmerchens mischte sich – nicht viel angenehmer in dieser Umgebung – Bratenduft in den Gestank. Die Küche schien im Erdgeschoss direkt darunter zu liegen, auch sie mit einem direkten Zugang zur Zisterne, um die Abfälle bequem entsorgen zu können. Ich stieg weiter die Treppe hinauf. Von nun an würde ich nicht mehr angeben können, ich sei auf der Suche nach dem Abtritt, wenn mich jemand ertappte. Das Lärmen und das Gekreisch aus dem Saal wurde lauter, als sich die Tür öffnete, und gedämpfter, als sie sich wieder schloss. Ich schlich hastig die restlichen Stufen nach oben, damit ich außer Sicht kam, und verharrte am Ende des Treppenhauses vor einer Tür. Niemand schien mir zu folgen; wer immer den Saal verlassen hatte, war auf der Suche nach frischer Luft. Ich versuchte, lautlos die Tür zu öffnen, und betrat den Dachboden.
Die Räume waren hier niedriger und die Luft so stickig wie im Inneren eines Sacks. Der Grundriss des Gebäudes fand sich auch im Dachgeschoss wieder: ein geräumiger Saal, von dem links und rechts Räume abgingen.
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