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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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interessiert an den gut genährten Katzen, die einen harten Kampf liefern würden. Die Dienstboten hatten Schlingen ausgelegt, die Tiere gefangen und am letzten Tag von Chaldenbergens Aufenthalt in seinem Haus hierher gebracht, hoffend, dass Chaldenbergen den Verlust seiner Katzen zwar bemerken, aber wegen seines kurzen restlichen Aufenthalts in Venedig nicht mehr nach ihrem Verbleib forschen würde. Sie hatten dem Geschäft ein kleines Fass Wein hinzugefügt, um ihre Käufer freundlich zu stimmen; das Fass hatte die Truhe schwer gemacht. Wir hatten die falschen Entführer verfolgt und die falschen Opfer zu retten versucht.
    Ich stand vor Manfridus’ Herberge und starrte auf das Gebäude. Es mochte die dritte Stunde nach Mitternacht sein. Kurz bevor die Dämmerung beginnt, ist die Nacht am dunkelsten. Ich versuchte, meine Beine dazu zu bewegen, weiterzugehen, aber die abgrundtiefe Enttäuschung, die ich beim Anblick der Katzen empfunden hatte, machte sie schwer wie Mühlsteine. Ich sah keine Hoffnung mehr für Caterina. Vielleicht hatte Chaldenbergen sie an das niedrigste Lumpenpack weiterverkauft, das sich in Venedig herumtrieb, vielleicht plante er, sie auf die Reise mitzunehmen und zu benutzen, solange sie ihm Vergnügen bereitete – ihr Schicksal war in beiden Fällen das gleiche.
    Ich dachte an Calendar, der mich wortlos bis zum Anfang der Gasse gebracht hatte, die zur Herberge führte, um sich dann ebenso wortlos zu verabschieden. Sein Gesicht war immer noch blass gewesen. Er hatte mir keine Vorwürfe gemacht, weil mir die Sache mit dem Teppich nicht eher aufgefallen war, wohl wissend, dass ich mir selbst genügend Vorwürfe machte. Ich hoffte, dass er jetzt zu Hause bei seiner Familie war und aus der Gegenwart seiner Frau, seiner anderen Kinder, vor allem aber seines Sohnes Trost schöpfte.
    Ich hätte selbst ein wenig Trost gebrauchen können. Als ich an Jana dachte, die in unserer Kammer lag und in ihre Trauer um den Verlust ihrer Leibesfrucht hineinhorchte, wurde mir bewusst, dass ich eher Trost würde geben müssen als empfangen können. Es gab tausend Gründe, noch ein wenig hier zu verweilen und in der Schwärze meiner Gedanken zu rühren.
    Ich schlurfte um die Hausecke der Herberge herum.
    Manfridus’ Stallungen lagen im rückwärtigen Teil des Gebäudes, einer kleinen Sackgasse zugewandt, als wollte die Herberge die Gepflogenheiten der großen Stadtpaläste nachahmen. Moro hatte mir eine Fensteröffnung gezeigt, eine Klappe, die er offen lassen wollte und in die ich hineinrufen sollte, um ihn zu wecken. Sie lag ziemlich weit oben. Ich zischte, weil ich nicht wagte, laut zu rufen. Moro schien den Schlaf des Gerechten zu schlafen und reagierte nicht. Ich sah mich um: Vor dem verschlossenen Tor, das zum Innenhof der Herberge führte, stand ein Fass; der Deckel lag darauf und war mit einer Kette am obersten Ring des Fasses befestigt. Das Fass war zu einem Drittel mit Wasser gefüllt; wahrscheinlich, um die Pferde der ankommenden Gäste zu tränken oder Schmutz vom Pflaster zu waschen. Ich wuchtete es mühsam unter die Fensteröffnung, ohne allzu viel Lärm dabei zu machen, kletterte hinauf und spähte in den Stall.
    Zu meinem Erstaunen brannte eine kleine Öllampe darin. Manfridus’ andere Gäste schienen ihre Pferde zum Großteil in Ställen außerhalb der Stadt untergebracht zu haben und waren mit Booten und menschlichen Trägern eingetroffen; die Pferche waren leer. Weit hinten in einer Ecke hörte ich das sanfte Schnauben der Esel, die Janas Sänfte hierher transportiert hatten. Die Öllampe hing an einem Haken, der in einer der hölzernen Trennwände steckte, welche die Pferche bildeten. Ihr schwaches Licht schimmerte auf einer goldenen Haarflut.
    Ich war so verblüfft, dass ich erst nach einigen Augenblicken erkannte, dass das Haar Fiuzetta gehörte. Ich hatte angenommen, sie würde bei Jana in der Kammer schlafen. Erst dann fiel mir auf, dass sie nackt war. Mittlerweile war ich so an Janas Nacktheit im Schlaf gewöhnt, dass es mich kaum noch erstaunte, jemand anderen unbekleidet schlafen zu sehen. Und schließlich erfasste ich die ganze Situation: Fiuzetta schlief nicht, und sie war nicht allein.
    Moros dunkle Haut ließ ihn im Halblicht des Öllämpchens eins werden mit den Schatten. Er lag neben Fiuzetta, ebenso nackt wie sie. Seine Schattenhand ruhte auf ihrem von der Schwangerschaft leicht vorgewölbten Bauch. Ich starrte hinunter auf die beiden, die ich offensichtlich beim Liebesspiel

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