Die schwarzen Wasser von San Marco
begann, hörte ich Fiuzettas Stöhnen und wusste, dass Moros suchende Finger an ihrem Ziel angekommen waren. Ich setzte mich auf den steingepflasterten Boden und lehnte mich mit dem Rücken gegen das Fass. Die beiden jetzt zu stören wäre mir wie Blasphemie vorgekommen. Ich versuchte meine Ohren von den Geräuschen abzuwenden, die nach und nach stärker wurden und aus der kleinen Fensteröffnung drangen. Ganz tief in meinem Bewusstsein, ohne dass ich es richtig wahrnahm, regte sich ein kleiner Funke Dankbarkeit dafür, nach den Erlebnissen des heutigen Abends erfahren zu dürfen, dass zwei Menschen miteinander Lust empfinden konnten, ohne dass einer von ihnen dabei gedemütigt, gequält, missbraucht und vergewaltigt wurde.
In diesem Moment fühlte ich eine so starke Sehnsucht nach Jana, dass ich am liebsten aufgesprungen und einfach über das Dach in die Kammer geklettert wäre.
Vierter Tag
1
»Erfolg gehabt?«, fragte Moro, als er mich schließlich durch die Eingangstür in die Herberge einließ. Ich hatte lange genug damit gewartet, mich bemerkbar zu machen, um Fiuzetta die Chance zu geben, sich unentdeckt in unsere Kammer zurückzuschleichen.
»Wenn man es als Erfolg werten will, dass ich noch am Leben bin: ja«, brummte ich.
»Was ist passiert?«
»Das Mädchen ist verschwunden.«
Moro sah zu Boden, während er die Tür wieder hinter sich verriegelte. »Kann ich was für Sie tun? Haben Sie Hunger oder Durst?«
»Kannst du mir das Gefühl ausreden, dass die wenigen Anständigen dieser Welt in einem Meer aus Schlechtigkeit schwimmen?«
»Gegen die Wahrheit zu argumentieren ist immer schwierig.«
»Ich gehe zu Bett«, sagte ich.
Moro nickte. Er schien mit sich zu kämpfen. »Gut«, sagte er schließlich. »Vielleicht ist mir bis morgen etwas eingefallen.«
»Es würde mich nicht wundern, wenn du tatsächlich herausfinden würdest, wo man das Mädchen hingebracht haben könnte.«
Er lächelte nicht wie sonst mit dieser Mischung aus Grandezza und Bescheidenheit, wenn man ihm ein Kompliment machte. Sein Gesicht blieb ernst.
»Gute Nacht«, sagte er und drückte mir das Öllämpchen in die Hand, das er entzündet hatte. Ich leuchtete mir mit seiner Hilfe den Weg durch das stockdunkle Treppenhaus hinauf und hatte das ungute Gefühl, dass Moro mehr wusste, als er zugab.
Clara Manfridus hatte eine zweite Matratze in die Ecke der Kammer schaffen lassen. Julia und Fiuzetta waren zwei nebeneinander liegende Formen unter einer leichten Decke. Julia fuhr hoch und richtete einen verschlafenen Blick auf mich, und ich lächelte sie an und legte den Finger auf die Lippen. Sie sank wieder zurück, noch immer so verschlafen, dass sie sich am nächsten Morgen garantiert nicht an diese kurze Begegnung erinnern würde. Fiuzetta regte sich nicht. Ich war sicher, dass sie noch hellwach war.
Jana hingegen schlief wie ein Stein. Als ich aus meinen Kleidern schlüpfte und neben sie unter die Decke kroch, keuchte sie kurz auf, drehte sich auf den Rücken, legte mir im Tiefschlaf einen Arm auf die Kehle und begann dann leise zu schnarchen. Ich nahm ihren Arm fort, bevor sie mich ersticken konnte, hielt aber ihre Hand fest. Sie war heiß vom Schlaf. Ich hätte sie gern an mich gezogen und ihren Körper an den meinen gedrückt, aber ich fürchtete sie aufzuwecken, und so ließ ich es sein. Ich suchte mir eine bequeme Stellung, zog die Decke um mich herum fest, horchte auf Janas leises Schnarchen und auf das Rascheln, mit dem Julia sich tiefer in ihre Matratze grub. Von Fiuzetta war nach wie vor kein Laut zu hören. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, leise ihren Namen zu flüstern. Die Balken an der Decke über mir waren undeutlich im schwachen Sternenlicht zu erkennen, das durch das Fenster hereinfiel. Es war mir noch nie aufgefallen, wie sehr ein Deckenbalken, der quer über das Bett verläuft, der Klinge des Scharfrichters ähnelt, die drohend über einem hängt. Ich starrte auf den schweren Schatten über mir und war überzeugt, dass auch ich für den Rest der Nacht keinen Schlaf finden würde.
Irgendwann spürte ich, wie eine Gestalt an meine Seite des Bettes trat. Ihr weißes Leinengewand schimmerte in der Dunkelheit. Ich dachte zuerst, es sei Fiuzetta, aber dann wusste ich, dass es sich um Caterina handelte. Sie war triefend nass. Der Boden der Kammer glänzte überall vor Nässe, als hätte sie die ganze Herberge unter Wasser gesetzt. Dann erkannte ich, dass ich nicht in unserem Bett in der Kammer lag, sondern in einem
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