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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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nicht jeder von ihnen würde sich für ihre Geschäfte hergeben. Es gibt selbst unter den Schlechtesten noch Abstufungen. Hab ich zurzeit nicht da, Rara-Täubchen, sagt er und kratzt sich am Kopf, ich hab nur Bauernmädchen aus Ungarn, aber die sind zu stramm, die wird dein Kunde nicht wollen. Ich könnte meinen Freunden draußen auf See Bescheid geben, sie sollen sich mal die Küstenstädte am Schwarzen Meer vornehmen, irgendeine verwöhnte Prinzessin wird sich schon finden, die sich beim Spielen mit ihren Zofen zu weit von der Stadt wegbegeben hat und deren Wache nur unzureichend bewaffnet ist. Kostet aber, Rara-Täubchen. Und was sagt sie?«
    »Geld spielt keine Rolle«, knurrte ich. »Und die Idee mit der Prinzessin ist nicht schlecht, so eine lässt sich durch Hunger leichter brechen als eine, die damit aufgewachsen ist.«
    Moro nickte wieder. »Messèr Porcospino wartet gern, wenn er weiß, dass die Ware es wert ist. Mittlerweile kennt er Rara und ihre Zuverlässigkeit. Es kann vier Wochen oder vier Monate dauern. Irgendwann finden die Piraten, die mit dem Sklavenhändler in Verbindung stehen, die richtige Beute. Sie wird zu Rara gebracht und ausgebildet, und Messèr Porcospino vergnügt sich mir ihr, so lange es ihm gefällt. Gefällt es ihm nicht mehr, wird sie durch Rara in einen Haushalt vermittelt. Sie weiß, dass das Mädchen niemals über das reden wird, was es getan hat.«
    »Was es mit sich tun lassen musste.«
    »Es kommt immer darauf an, wie man es ihnen eingebläut hat.«
    »Mir wird schlecht«, sagte ich.
    »Mir ist schon schlecht.«
    »Aber Raras Käufe auf dem Sklavenmarkt …«
    »Es gibt auch Laufkundschaft. Solche, die ihre Lüste nur verschämt gestehen und denen es egal ist, was sie in ihr Bett bekommen, wenn es nur zart genug ist. Zahlung im Voraus, und Rara de Jadra ist Ihre eifrigste Dienerin, messère . Keine Ahnung, wie Sie Ihrer Frau erklären sollen, warum eine blutjunge Sklavin in Ihrem Haushalt noch fehlt? Sparen Sie sich die Erklärung, messère , ich nehme sie zu mir, und Sie zahlen mir Kost und Logis. Und ich versichere Ihnen, ich werde ihr alles beibringen, was Sie wünschen.«
    »Hör auf«, sagte ich. Moro verstummte.
    »Fiuzetta?«, flüsterte ich.
    »Ich bin sicher, dass niemand je erfahren wird, welche Hölle Rara ihr bereitet hat, bevor sie zu consigliere Falier kam.«
    »Wo die Hölle kein Ende fand.«
    »Es gibt zu viele Menschen. Gott hat den Überblick verloren. Das eine oder andere Schicksal rutscht ihm durch die Finger.«
    »Kennst du die Namen von Raras ›Verbündetem‹ und ihren Kunden? Dem Sklavenhändler und den reichen Patriziern?«
    Moro schüttelte den Kopf und lachte bitter. »Sie dürfen nicht glauben, dass Fiuzetta Einblick in diese Teufelsmechanik hatte. Sie hat nur an mich weitergegeben, was sie erfuhr, während sie ein Teil davon war. Das hier sind lediglich ihre und meine Vermutungen. Genauso gut könnte Raras Verbündeter einer der Hafenpolizisten sein oder der provveditore des Arsenals – jeder, der über die Händel auf See und die eintreffenden Schiffe Bescheid weiß. Letztlich läuft es aber immer auf das Gleiche hinaus.«
    Moro rutschte zu dem Verschlag hinüber und öffnete mit dem Ellbogen den Deckel. Er setzte das Küken vorsichtig zurück zu seinen Artgenossen. Dann streckte er die Hand nach mir aus, und ich übergab ihm meinen Schützling, bei dem er die gleiche Vorsicht walten ließ. Das Küken taumelte ein paar Schritte aus seinen geöffneten Händen, ruderte verschlafen mit den Flügeln und drängelte sich unter seine Geschwister, die in einer Ecke des Verschlags zusammengekauert schliefen. Sekunden später war es nur noch ein von den anderen nicht mehr zu unterscheidender Federball. Moro schloss den Deckel. Ich sah auf meine leeren Handflächen hinunter, in denen ich noch immer die Wärme des Kükens spürte.
    »Was nun Caterina betrifft …«, sagte Moro.
    »So glaubst du, man hat sie wieder zu Rara zurückgebracht. Wenn sie sterben sollte, hat Rara das Problem, die Leiche loszuwerden.«
    »Ein Risiko, das sicherlich im Preis enthalten ist. Und kein allzu großes, um ehrlich zu sein. So wie es zu viele Menschen auf der Welt gibt, gibt es auch zu viele in dieser Stadt. Die Stadtväter können nicht auf jeden Einzelnen aufpassen.«
    »Die Stadtväter sind wahrscheinlich die Hauptkunden Raras.«
    Moro schüttelte den Kopf. »Unwahrscheinlich. Es mögen kaltherzige Kerle darunter sein wie Leonardo Falier, aber in der Mehrzahl sind sie

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