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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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und fragte mich, ob Calendar gemeint hatte, wir sollten lediglich von diesem Ort oder gleich aus der Stadt verschwinden.
    Jana lag mit geschlossenen Augen in meinem Schoß und versuchte, ruhig einzuatmen. Marco war offensichtlich froh, von hier wegzukommen. Der Bootsführer stand im Heck und bewegte das Ruder in einem ruhigen Takt, ohne das Fahrzeug zum Schwanken zu bringen. In seinem Gesicht war Gleichmut zu lesen; der Tod von zwei Gassenjungen berührte ihn nicht weiter. Jana richtete sich plötzlich ruckartig auf und klammerte sich an die Bordwand. Sie würgte trocken und versuchte, sich nochmals zu übergeben. Schließlich sank sie zurück. Ich berührte ihre Stirn, die sich kalt und nass anfühlte vor Schweiß. Jana sah zu mir auf und lächelte schwach.
    »Das hat gut getan«, flüsterte sie.
    »Dass du den Fischen geopfert hast?«
    »Ich glaube nicht, dass hier noch viele Fische schwimmen.«
    Ich drehte mich um, als das Boot in den Canàl Grande einbog. Marco gestikulierte in eine Richtung, und der Bootsführer nickte. Hinter der Fassade eines prächtigen Hauses verschwand der düstere Rio di San Polo. Wir fuhren in nordöstlicher Richtung den Kanal hinauf, wo der Verkehr mindestens ebenso dicht war wie derjenige der Fußgänger in den Gassen. Jana folgte meinem Blick und versuchte sich aufzurichten. Ich legte ihr die Hände auf die Schultern.
    »Es waren Gassenjungen, stimmt’s?«
    Ich nickte.
    »Und der Polizist vom Campo San Polo war auch wieder dort?«
    »Ja.«
    »Du sagst das, als hätte er dir ins Gesicht gespuckt.«
    »Er hielt es für einen Diebstahl zu viel.«
    »Einer der Jungen versucht die Börse eines Mannes zu schnappen, wird dabei ertappt und umgebracht, und der zweite, der seinem Freund zu helfen versucht, gleich mit.«
    »So ungefähr.«
    Sie sah mich an. In ihre bleichen Wangen kehrte allmählich etwas Farbe zurück. Sie blinzelte schläfrig. »Weißt du was?«
    »Nein.«
    Sie hob den Kopf, ich beugte mich zu ihr herab, damit sie mir ins Ohr flüstern konnte. »Ich hasse es zu kotzen. Ich könnte danach stundenlang schlafen.«
    »Das macht dich ungeeignet für die Tische der Reichen. Dort übergibt man sich, damit man nachher weiteressen kann.«
    Sie ließ sich zurücksinken.
    »Im Schlaf kannst du mir nicht beistehen. Warum kümmerst du dich nicht darum?«
    »Was meinst du?«
    »Nachforschungen anstellen. Wie kommt es, dass zwei Gassenjungen ausgerechnet in der finstersten Ecke Venedigs auf ein Opfer lauern? Und warum macht sich ihr Mörder die Mühe, die Leichen im Wasser verschwinden zu lassen, wenn es doch scheinbar keinen Venezianer zu rühren scheint, ob diese unglücklichen kleinen Würmer leben oder sterben?« Sie wies mit dem Kinn auf den Bootsführer, der sich langsam in einer Kolonne mit anderen Booten treiben ließ und mit der freien Hand das Geld zählte, das Marco und offensichtlich Paolo Calendar ihm für seine Dienste gegeben hatten.
    Ich dachte an die neugierigen Gesichter der Zuschauer an der vom blutigen Wasser besudelten Treppe und das Zögern der zwei Männer, Calendar mit dem zweiten Toten zu helfen, die Sorge um die Sauberkeit ihrer Stiefel deutlich auf die Stirn geschrieben.
    »Ich liebe dich«, sagte Jana.
    »Auch, wenn ich dich wegen zweier ›unglücklicher Würmer‹ allein zur Herberge weiterfahren lasse?«
    Gestern hatten zwei Zeugen ausgesagt, Pegno Dandolo habe sich schon die ganze Zeit beim Arsenal herumgetrieben und sei, vermutlich beim Versuch, heimlich hineinzugelangen, ertrunken. Heute war einer der Zeugen unter merkwürdigen Umständen ums Leben gekommen. Es konnte auch ein Zufall sein.
    Jana fasste mich um den Nacken und zog mich zu sich herab. Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange.
    »Ich liebe dich gerade deswegen.«
    Marco ließ den Bootsführer an einem breiten gemauerten Kai anhalten, damit ich aussteigen konnte.
    »Gehen Sie einfach hier die Calle del Storione hinauf, bei der Kreuzung zur Ruga Vecchia links bis zur Calle Meloni, dann nach rechts bis zum Ponte dei Cavalli, und schon sind Sie wieder auf dem Campo San Polo. Oder noch besser, folgen Sie der Calle Meloni, bis sie zur Calle Madonetta wird …«
    Ich warf Jana und dem Bootsführer einen zweifelnden Blick zu, bevor ich mich in die enge Gasse schlug, die Marco mir gewiesen hatte. Bei der ersten Kreuzung wandte ich mich weisungsgemäß nach links, doch dann erreichte ich einen kleinen campo , von dem Marco nichts gesagt hatte, und wurde unsicher. Ich verließ ihn nach rechts, in der

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