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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Gasse erreichen konnte. Er schrie schrill auf, als sie ihn packten. Sie zwangen ihn zu Boden. Er schrie abermals. Einer der Männer holte mit dem Fuß aus und trat ihm in die Seite, woraufhin der Dienstbote stöhnte und dann verstummte. Sie rissen ihn wieder in die Höhe, nahmen ihn zwischen sich und schleppten ihn zur Brücke, direkt an mir vorbei, als wäre ich nicht vorhanden. Einer hatte die Faust in die Haare des Opfers gekrallt und drückte seinen Kopf nach unten. Ich hörte den gepressten Atem des Dienstboten, der entsetzt versuchte, auf den Beinen zu bleiben. Sie zerrten ihn bis vor den Jüngling, der an die Brüstung zurückwich, als würde ihm eine giftige Schlange präsentiert. Ein Tritt in die Kniekehlen zwang den Dienstboten auf den Boden, und die Faust in seinem Haar riss seinen Kopf so weit nach oben, wie es ging. Ich hörte ihn vor Schmerz keuchen. Er blickte sich verzweifelt nach Hilfe um, aber ich war die einzige Menschenseele auf dem Platz, und ich wusste nicht, was ich tun sollte.
    Der Jüngling starrte den Dienstboten an, der vor ihm auf den Knien lag. Sein Gesicht verzerrte sich. Er drehte sich um und übergab sich mit krampfhaftem Husten über die Brüstung, einmal, zweimal, bis nichts mehr kam und er sich wieder umwandte. Sein Gesicht war aschfahl, und er schwankte. Einer der drei Männer ließ von dem Dienstboten ab und fasste den jungen Mann am Arm. Der Dienstbote begann mit überschnappender Stimme zu reden, bis ihm ein Handrücken ins Gesicht schlug. Er hörte auf zu plappern und gab stattdessen ein ersticktes Schluchzen von sich. Der Jüngling stützte sich auf den älteren Mann und nickte. Er fixierte erneut den Dienstboten und nickte dann wieder, immer heftiger, und ich sah von weitem, dass gleich etwas in ihm reißen würde.
    Plötzlich stürzte sich der Junge auf den Dienstboten und drosch mit wild wirbelnden Armen auf ihn ein, trat ihn, spuckte und schrie und tobte, und es dauerte ein paar Augenblicke, bis man ihn von dem am Boden Kauernden trennen konnte. Der junge Mann war tränenüberströmt, taumelte beiseite und rollte sich an der Brüstung der Brücke zusammen. Ich konnte sein raues Weinen hören. Derjenige, der ihn gestützt hatte, hockte sich neben ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter, die anderen beiden rissen den Dienstboten in die Höhe und schleiften ihn davon. Der Unglückliche begann erneut in schrillem Diskant zu plappern, aber sie ignorierten ihn. Der Wutausbruch des Jungen hatte ihn kaum verletzt; statt Blutergüssen und Kratzern stand nur eine Höllenangst in seinem Gesicht. Sie verschwanden mit ihm in nördlicher Richtung.
    Der Jüngling und der ältere Mann folgten ihnen langsam. Als sie an mir vorüberkamen, warf der Mann mir einen langen Blick zu, fasste dann in sein Hemd und holte ein Siegel an einer Kette hervor. Er hielt es in die Höhe.
    »Milizia« , sagte er.
    Ich nickte. Er wies hinter seinen Kollegen her und knurrte ein paar Worte, von denen ich nur eines verstand: »Sodomia.«
    Ich nickte nochmals. Als er mit dem Jüngling ebenfalls um die Ecke verschwunden war, stakte ich steifbeinig zur Brücke und ließ mich auf die Treppenstufen niederfallen. Sodomia . Der Dienstbote hatte den Jüngling zu seinem Geliebten gemacht, und es war ganz offensichtlich gegen dessen Willen geschehen. Der Dienstbote war stark gebaut, der Jüngling beinahe so zart wie ein Mädchen.
    Ich fragte mich, wann der Dienstbote im Haus seiner Herrschaft vermisst würde. Ich atmete tief ein und hatte das Gefühl, dass der abgestandene Geruch aus dem rio hinter mir noch ein wenig schaler geworden war.
    Mehr als eine Stunde später setzte mich ein grinsender Bootsführer am jenseitigen Ufer des Canàl Grande am Fuß der Rialto-Brücke ab, und ich legte nass geschwitzt und wütend die letzten Schritte bis zu Michael Manfridus’ Herberge zurück. Als ich den Campo San Polo endlich gefunden hatte, waren Paolo Calendar und die toten Gassenjungen längst verschwunden gewesen, und nur das Häuflein Neugieriger, das auf das mittlerweile beinahe sauber gewordene Wasser zeigte, zeugte von den Geschehnissen kurz zuvor.
    Neben dem Eingang zur Herberge lehnte Moro, pickte in seinen Zähnen und schenkte mir ein breites Lächeln und das für ihn übliche » Buondì !«, das er einem entgegenrief, sooft man ihn traf – und sei es fünfmal pro Stunde.
    »Er muss sich schon anstrengen, um noch gut zu werden«, knurrte ich und schob mich an ihm vorbei. Er antwortete, ohne dass das Lächeln aus

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