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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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du mich mit deinem Wissen gehörig beeindruckt. Diesmal habe ich nichts anderes von dir gehört als: ich glaube, ich habe gehört, man sagt …«
    Moro stutzte und dachte nach. Dann grinste er noch breiter als zuvor und hob die Hände zum Himmel. »Schöpfer, ich danke dir, dass du mir jemanden gesandt hast, der mich auf meine Unvollkommenheit hinweist. Ich fürchtete schon, ich sei allwissend.«
    »Jeder andere als ich würde dich jetzt auffordern, nicht so frech zu werden.«
    Moro ließ die Hände sinken und lächelte auf mich herunter. »Bei jedem anderen hätte ich auch kein Wort gesagt außer: ›Ja, Herr‹ und ›Nichts verstehn, Herr‹.«
    Ich nickte. Ich war ohnehin nicht verärgert gewesen.
    »Wenn Sie dort gleich noch hinwollen, sollten Sie sich beeilen. Die Brücke wird demnächst aufgemacht, um die Aquila durchzulassen. Es dauert dann immer eine Weile, bis man sie wieder schließt, weil die Gelegenheit für die Durchfahrt weiterer großer Schiffe genutzt wird.«
    »Was ist die Aquila ?«
    »Eine Kriegsgaleere der Serenissima. Sie ist heute Vormittag eingetroffen. Die Aquila und die Venator haben in den letzten Wochen Jagd auf Piraten in der Ägäis gemacht. Die Aquila hat reiche Beute eingeholt, das andere Schiff wurde beschädigt und musste in Ragusa zur Überholung bleiben.«
    Ich ließ mir den Weg beschreiben und machte mich auf, ohne mich mit Jana abzusprechen oder mir die Zeit zum Essen zu nehmen. Ich nahm an, dass Jana in ihrer Kammer lag und schlief. Mit knurrendem Magen eilte ich zur Brücke. Nun wusste ich, was Paolo Calendar in den Wimpeln der Galeere gelesen hatte, die mit so großem Pomp in den Kanal hineingeleitet worden war. Die Frage war nur, weshalb es für ihn so wichtig war.
    An beiden Enden der hölzernen Konstruktion, die die Rialto-Brücke darstellte, drängten sich die Schaulustigen dicht an dicht. Selbst einige der Bürgersfrauen hatten sich ins Getümmel gewagt und blinzelten unter breitkrempigen Strohhüten hervor in das sonnenglitzernde Wasser des Kanals. Die meisten der Hüte bestanden nur aus der Krempe, damit das Sonnenlicht ungehindert auf das Haupthaar fallen und es bleichen konnte, ohne dass die blasse Gesichtshaut verbrannt worden wäre. Hier wie in Florenz hatten die Frauen bezüglich ihrer Haarfarbe nur einen Wunsch: Sie möge blond sein. Aus keinem anderen Grund verirrten sich meine Gedanken zu Fiuzetta, der schwangeren Kurtisane, die sich in den Dienst von Janas Kräuterfrau gestellt hatte – vermutlich war sie ihres natürlichen blonden Schopfes wegen sehr begehrt gewesen.
    Einige unternehmerische Seelen schleppten kleine Fässer mit Wasser, frisches Obst in Körben und Backwaren mit sich herum und boten ihre Waren feil. Dem Sonnenstand nach mochte es um die dritte Stunde nach Mittag sein. Das Wasser und das Obst fanden rasch Abnehmer; so weit ich sehen konnte, war ich jedoch der Einzige, der ein paar schmalztriefende gebackene Klümpchen kaufte, die mir in ein großes welkes Blatt eingerollt übergeben wurden und die sich zu meinem anfänglichen Missvergnügen als mit Teig überbackenes Meeresungeziefer entpuppten. Als ich das erste davon hinuntergewürgt hatte, aß ich die restlichen mit Heißhunger und bedauerte danach, dass der Verkäufer bereits weitergegangen war.
    Die Galeere war weit und breit nicht zu sehen. Vermutlich hatte der Kommandant beim Dogenpalast angelegt, um Meldung zu machen. Bewaffnete hatten bereits am Fuß der Brücke Posten bezogen, um sie abzuriegeln, aber noch lief der Verkehr ungehindert – sah man von den Schaulustigen ab, die sich in der Mitte, auf dem beweglichen Teil der Brücke drängten, wo die hohen, mit weit ausgreifenden Dächern versehenen Seitenwände fehlten und der Blick in den Kanal hinein nach beiden Richtungen frei war. Ein paar Vorwitzige waren sogar auf die Galgen geklettert, die den Mittelteil der Brücke nach Art einer Zugbrücke auf beiden Seiten hochzogen und für die hohen Masten großer Schiffe freigaben. Die Brücke war zur Mitte hin steil nach oben gebaut und fiel ebenso steil auf der anderen Seite ab. Zwischen den hohen Seitenwänden fing sich die Hitze, es roch nach dem Holz der Brückenkonstruktion und den drängelnden Leibern vieler Menschen. Ich hielt meine Börse fest und war froh, als ich endlich drüben war.
    Es war kaum zu früh. Als ich mich am jenseitigen Ufer umdrehte, um einen Blick zurückzuwerfen, rannte ein Soldat zu den beiden Wachen und bellte ihnen etwas zu, worauf sie begannen, die

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