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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Menschen am Betreten der Brücke zu hindern. Alle hielten bereitwillig an oder verteilten sich am Ufer, um einen guten Platz zu erwischen. Diejenigen, die noch auf der Brücke waren und eine bessere Sicht hatten, begannen laut zu rufen und in Richtung des Dogenpalastes zu zeigen, bevor sie die Konstruktion verließen. Die ersten Blumen fielen von der Brücke ins Wasser, gefolgt von weiteren, die von den Zuschauern an beiden Ufern gestreut wurden. Zwischen den Blüten taumelten unzählige Fähnchen mit einem mir inzwischen zum Überdruss bekannten Wappen darauf in den Kanal. Die Aquila würde sich ihren Weg durch einen schwimmenden Teppich aus Blüten und dem Familienwappen Leonardo Faliers bahnen, während sie stolz durch den Kanal glitt und die Freude der Bevölkerung über den geglückten Kriegszug entgegennahm. Besser konnte der Zehnerrat nun wirklich nicht dafür sorgen, dass sich sein Name unauslöschlich in die Gedächtnisse aller einprägte.
    Ich hatte mich weit zurückdrängen lassen von den Leuten, die die Brücke herabkamen, aber das anwachsende Gebrüll und der Applaus, der langsam näher kam, ließen mich den Weg der Galeere mühelos verfolgen. Dann kam der Hauptmast des Schiffs in Sicht, der beinahe filigran vor dem Hintergrund aus wuchtigen Kaminen, Trockenstangen, Ladegalgen und Gerüsten wirkte, den die Hausdächer des gegenüberliegenden Ufers boten. Das Krähennest an seiner Spitze glitt vorüber, der Applaus begann jetzt auch um mich herum, und ich sah mit dem üblichen Schwindelgefühl, das mich bei einem solchen Anblick stets ergriff, dass rings um das Krähennest Leichen hingen – Piraten, die sicherlich im Moment des Ablegens von der Piazzetta gehängt worden waren, damit den Venezianern der Triumph über die Freibeuter auch deutlich genug vor Augen geführt wurde. Ich wusste, dass die zumeist türkischen Piraten mit den Gefangenen, die sie für nicht gewinnbringend erachteten, nicht weniger unsanft umgingen; und dass die Venezianer noch immer nach Rache für den letzten venezianischen Konsul von Negroponte dürsteten, den die türkischen Eroberer bei lebendigem Leib hatten zersägen lassen. Die Unseligen, deren Körper jetzt im Triumphzug durch den Kanal gefahren wurden, dauerten mich dennoch.
    Der Campo San Simeòn Propheta war klein, kaum mehr als der Vorplatz zu seiner niedrigen Kirche, deren Fassade seine Ostseite beschloss. Man stieg auf ihn von einer Brücke herab, die sich über einen langen, auf beiden Seiten von einer schmalen fondamenta begrenzten rio spannte und auf der Seite des campo um eine Hausecke winden musste, um den Boden zu erreichen. Nördlich und südlich reihten sich schmucklose, namenlose Hausfassaden aneinander; der campanile der Kirche stand von ihr getrennt und ragte hinter den Häusern hervor, aus denen er herauszuwachsen schien wie ein Spross Unkraut.
    Ich fragte einen älteren Mann, der aus der Kirche kam, nach Raras Haus, und erwartete fast, ihn sagen zu hören: »Sempre dritto!« , aber er sandte mich stattdessen mit weit ausholenden Armbewegungen in ein winziges Gässchen, das zwischen der Nordecke der Kirche und den Wohnhäusern hindurchführte und wirkte, als sei man in die Überreste eines alten Kreuzgangs geraten – komplett mit einer kurzen Reihe Arkaden mit niedrigem Dach, zwischen deren Säulen und zwei am anderen Ende des Platzes stehenden Bäumen hinaus sich der Ausblick auf den großen Kanal öffnete. Etwas wie eine breitere calle lief hier schnurgerade auf den Canàl Grande zu, und ich verstand, dass auch das noch der Campo des Propheten Simon war oder vielmehr sein kleiner Bruder, der campiello . Im Zentrum stand der unvermeidliche Brunnen.
    Die Kirche, die Häuser, der pozzo : der Campiello San Simeòn Propheta war ein von den moderneren, großzügigeren Bauten der reichen Prominenz verschont gebliebener Überrest der venezianischen Anfänge. Neben einer freien Fläche, auf der das Gras wild in die Höhe wuchs, schloss ein schlichter Stadtpalast den campiello ab; seine Nordseite stand bereits im Kanal. Es war ein heruntergekommener, zweistöckiger Bau, bis in die Höhe der Eingangstür aus unverputzten Ziegeln bestehend und darüber mit einem terrakottafarbenen Putz versehen. Von den Ecken der Fenster zogen sich lange schmutzige Verwitterungsstreifen herab, die weißen Fenstereinfassungen waren grauscheckig und die Fensterläden bis auf wenige Ausnahmen geschlossen. Es sah wie das alte Stadthaus eines zu Geld gekommenen Patriziers aus, der sich

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