Die schwarzen Wasser von San Marco
Drei Männer mit Spießen und einer Laterne, die herumfuhren, als ich auf den Platz hinaustaumelte. Doch dann sah ich die Helme blinken und wusste, dass ich eine Nachtpatrouille vor mir hatte.
Kaum zu erwarten, dass einer von ihnen meine Sprache verstand oder ihnen erklären zu können, dass ich verfolgt wurde. Es gab nur eine Möglichkeit. Ich rannte einfach in sie hinein, ehe sie ihre Spieße gegen mich senken konnten, rempelte einen von ihnen um und stürzte mit ihm zu Boden. Dann rollte ich mich zusammen, um mich vor den Tritten zu schützen, die sie mir unweigerlich verpassen würden – bevor sie mich festnahmen und damit in Sicherheit brachten.
Die Tritte blieben aus; die Festnahme nicht. Sie zerrten mich fluchend und schimpfend in die Höhe, aber als ich mich nicht wehrte und ihnen sogar bereitwillig die Hände entgegenstreckte, damit sie mich fesseln konnten, ließ ihre Grobheit nach. Der Mann, den ich umgerannt hatte, funkelte mich wütend an und rieb sich die Kehrseite. Der Wachführer band einen Lederriemen von seinem Gürtel los und schnürte mir die Hände zusammen. Dann spürte ich den ermunternden Schlag mit dem Eisenschuh eines Spießes in den verlängerten Rücken und setzte mich in Bewegung.
Mein Atem ging immer noch heftig. Die Wache führte mich auf demselben Weg, auf dem ich gekommen war, zurück zur Riva degli Schiavoni. In der Gasse, die mich zu dem campo geführt hatte, kam uns ein Häuflein Männer entgegengerannt; einer davon war triefend nass. Fulvios Männer hatten ihren Anführer aus dem rio gezogen und die Verfolgung erneut aufgenommen. Als sie mich mit meiner unfreiwilligen Eskorte entdeckten, blieben sie abrupt stehen. Die Wachen packten ihre Spieße fester und schienen einen Hinterhalt zu argwöhnen, doch Fulvio und seine Männer wichen ihnen aus. Einen einsamen Spion zu hetzen war etwas anderes, als sich mit der Staatsmacht anzulegen. Fulvio bedachte mich mit mörderischen Blicken, als ich an ihm vorbeigeführt wurde. Ich lächelte ihm zu und blinzelte verschwörerisch. Fulvio spuckte aus und schluckte zähneknirschend ein paar Flüche hinunter. Er blieb mit seinen Männern stehen und ließ den Wachen und mir einen großen Vorsprung, bevor sie sich zu ihrem Schiff zurück in Bewegung setzten. Ich spürte ihre Blicke im Rücken. Sicherlich wäre es alles andere als ratsam, nochmals bei Nacht oder allein in die Nähe von Barberros Schiff zu kommen.
Dem Anführer der Wache war der Blickwechsel nicht entgangen. Er fiel neben mir in den Schritt und betrachtete mich nachdenklich. Vielleicht ahnte er, was der Grund meines plötzlichen Erscheinens in der Mitte seines Fähnleins gewesen war. Ich sah sein nachdenkliches Gesicht im Flackern des Feuerwerks, das gerade seinem Höhepunkt entgegenstrebte und mit unablässigem Knallen, Knattern und Pfeifen taghelle Feuerzauber in den Himmel warf.
Der Wachführer brummte etwas, das ich nicht verstand. Ich sah nach oben und freute mich über die fantastischen Formen und Farben des Feuerspektakels und kostete meine Erleichterung wie einen edlen Wein. Ich hatte sie ausgetrickst; ich war davongekommen. Mein Herzschlag beruhigte sich allmählich, und ich lächelte still in mich hinein. Am liebsten hätte ich den Wachführer umarmt und Fulvio und seinen Totschlägern, die in großem Abstand hinter uns hertrabten, ein paar ausgesuchte Schmähungen zugerufen, hätte ich nur welche auf Venezianisch gewusst. Der Wachführer wiederholte seine Frage. Ich wandte mich ihm zu und sagte die Zauberformel, von der ich hoffte, dass sie mir eine kurze Nacht im Gefängnis und die Klärung des Vorfalls bescheren würde: »Prendi Paolo Calendar, per favore.«
Die Gefängniszelle war mit dicken Holzbohlen ausgeschlagen, ein enger, lang gezogener Raum mit einer Bogenwölbung, der wirkte wie der Sarg eines Riesen. Eine Holzpritsche auf vier roh behauenen steinernen Füßen bot die einzige Schlaf- und Sitzmöglichkeit; sie war bereits belegt von einem Mann mit blutig geschlagener Stirn und zerrissenen Gewändern, der nach Wein stank und markerschütternd schnarchte. Abgesehen von den Alkoholausdünstungen meines Zellengenossen, die förmlich in der Luft zu kleben schienen, roch es nach feuchtem, altem Holz und der Muffigkeit eines abgeschlossenen Raums, der nur selten Frischluft erhält. Calendar hatte mir angedroht, mich verhaften zu lassen – nun war ich ihm zuvorgekommen. Der Gefängniswächter, dem ich übergeben worden war, gab mir einen leichten Schlag auf die
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