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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die kleine Sekretärin … das ist ein Märchen …«
    »Wo warst du heute nachmittag?« fragte Cramer unvermittelt. Ilse schrak nicht zusammen. Sie lächelte nur und nahm ganz fest seine Hand.
    »Bei Sergio Cravelli.«
    Ihre plötzliche Ehrlichkeit machte ihn sprachlos. Sie nickte und legte den Kopf wieder an seine Brust.
    »Ja, ich habe gelogen. Weil ich kein Vertrauen zu dir hatte. So gemein war ich … Überleg es dir, mich zu heiraten –«
    »Woher kennst du Cravelli?«
    »Von einem Briefkuvert, das ich in Dr. Berwaldts Papierkorb fand.«
    »Du also hast das Kuvert herausgenommen?!«
    »Ja!«
    »Mein Gott, wie einfach wäre alles gewesen, wenn wir uns gleich die Wahrheit gesagt hätten! Wie benahm sich Cravelli?«
    »Wie ein Gentleman! Besser als du.« Sie dreht den Kopf zu ihm. »Einen solch trocknen Antrag habe ich nicht erwartet. Ich habe mir immer vorgestellt: Wie wird es sein, wenn ein Mann mich fragt, ob ich ihn heiraten will. Ich hatte mir das so schön ausgedacht. Und nun fragt dieser Mann: Wie benahm sich Cravelli –«
    Rudolf Cramer lächelte glücklich. Er beugte sich über sie und küßte sie. Es war ein langer Kuß, in dem das Versprechen eines ganzen, langen, gemeinsamen Lebens lag.
    »Ich glaube, wir müssen zurück nach Venedig«, sagte er nach einer langen Zeit stummen Glücks. Sie saßen eng umschlungen vor dem im flackernden Kerzenlicht wie schwebenden Altar.
    »Hier ist es so wundervoll still. Hier können wir träumen –« Ilse legte den Kopf an seine Schulter. »Warum schon fahren?«
    »Ich glaube, wir werden in Venedig gebraucht –«
    »Du bist ein gräßlicher Mensch!«
    »Ich ahne, daß etwas geschehen ist!«
    Sie zuckte hoch und starrte ihn an. »Mit Cravelli?« Sie umfaßte seine Hände, und es war mehr ein Umklammern in höchster Angst. »Sag es frei heraus: Du hältst Cravelli für den Mörder Ilonas –«
    »Ja!« Cramers Stimme klang hart und hallte in dem stillen Kirchenschiff wider. »Er ist es!«
    »Du hast keine Beweise!«
    »Keine offiziellen. Aber ich sehe die Schuld in seinen Augen! Immer, wenn ich ihn besuchte, war ein Flimmern in ihnen, eine Lust, auch mich umzubringen, um das auszulöschen, was ich ihm geworden bin: Ein jährlich wiederkehrendes, anklagendes Gewissen.«
    »Wenn das wahr ist, Rudolf … wenn das wahr ist …« Sie stockte und sah ihn nachdenklich an. Cramer spürte, daß sie ihm noch etwas verschwieg. Er legte den Arm um ihre Schulter.
    »Was denn, Liebes?«
    »Es ist vielleicht dumm –«
    »Nichts ist dumm, wenn es von Cravelli kommt!«
    »Ich habe etwas gehört in seinem Palazzo. Es kann eine Täuschung sein, eine Überhitzung meiner Nerven, eben eine Dummheit … man hört in der Angst vieles, was nachher völlig harmlos ist …«
    »Was hast du gehört?«
    »Ein Klopfen.«
    »Klopfen? Wo?«
    »Ich weiß es nicht. Es kam von der Decke oder unter dem Boden, aus dem Keller, hinter einer Wand … es konnte überall sein. Ein unheimliches Klopfen. Cravelli bemerkte es und sagte …«
    »Also es war da? Es war keine Täuschung?!«
    »Nein! Nur der Rhythmus … das kann natürlich eine Phantasterei sein …«
    »Der Rhythmus?« sagte Cramer atemlos.
    »Ja. Cravelli sagte leichthin: Oben wird eine Fußleiste angeschlagen. Aber es klang nicht wie ein Hämmern von Handwerkern … es klang wie ein Zeichen … wie – SOS – dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz … Immer wieder … SOS … SOS …«
    Cramer sprang auf. »Berwaldt!« schrie er. Er vergaß, daß er in einem Kirchenraum stand. »Das ist Dr. Berwaldt! Er ist bei Cravelli! Ich habe es geahnt, o Gott, ich habe es geahnt!«
    Ilse Wagner starrte ihn aus großen, furchterfüllten Augen an. »Du meinst, Cravelli hält ihn verborgen …«
    »Es geht ihm um Berwaldts Erfindung! Dein Chef ist weder verreist, noch hat er dich am Bahnhof vergessen! Cravelli hat ihn in den Palazzo gelockt und festgesetzt. Nun ist er ein Gefangener seiner eigenen Gier geworden … und nur du kannst ihm noch helfen! Ilse –« Cramer riß sie an sich, als wolle Cravelli sie wegschleppen. »Daß du noch lebst … Weißt du, daß du zum Mittelpunkt eines grandiosen Verbrechens geworden bist?!«
    »Dann war es also wirklich SOS?!«
    »Natürlich! Was hast du Cravelli gesagt?«
    »Daß ich morgen früh mit der Mappe Berwaldts wieder zu ihm komme –«
    Cramer schwieg. Er zerrte Ilse aus der kleinen Kirche und schloß die Tür. Erst draußen am Strand sprach er wieder, als er das Boot heranzog und Ilse durch das seichte Wasser

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