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Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Titel: Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Callahan Henry
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welche.«
    »War sie mit einem der Jungs mal zusammen?«
    »Wie soll ich mich daran erinnern?«
    »Mir scheint, an so etwas würde man sich erinnern.«
    »Das sollte man meinen, nicht? Aber Sie müssen bedenken, mir war einzig und allein wichtig, dass ich nicht hinten im Bus sitzen musste, dass ich in ein Café gehen und man mich nicht rauswerfen konnte. Ellie …« Er beugte sich wieder vor und streckte die Hände aus, als wolle er nach etwas greifen. »Daran erinnere ich mich: Sie hat geholfen, Otis nach der Schlacht in Montgomery in die Notaufnahme zu bringen. Daran erinnere ich mich gut – sie war wie ein Racheengel, schrie die Notärzte an, wenn sie ihn nicht aufnähmen, würden sie alle für ewig in der Hölle brennen. Ich denke, sie haben ihr geglaubt.« Er lachte ein tiefes, lautes Lachen, wie ein Instrument, das ich noch nie gehört hatte, ein geheimnisvolles Musikinstrument, das Gott allein kennt.
    Mein Körper spürte das Wissen: Er war da – dieser Mann war damals dabei gewesen, und er kannte den besten Freund, Otis, der zusammengeschlagen und halbtot liegengelassen worden war. »Mit wem war sie da? Wer ging mit in die Notaufnahme außer Ihnen und ihr?«
    Er sah mich an, als wüsste er, dass das alles war, was ich wissen wollte, und es war das, was er mir nicht sagen würde.
    »Ich erinnere mich nicht«, sagte er. »Hören Sie, Ellie. Ich hatte damals nur meine Zukunft vor Augen. Mehr nicht. Ich wollte meinem Staat und meinesgleichen ein anderes Leben ermöglichen.«
    Ich nickte, voller Bewunderung für diesen Mann, den ich eben erst kennengelernt hatte, der meine Mutter gekannt hatte, als sie leidenschaftlich und freundlich undvoller Hoffnung gewesen war. Ich stand auf, umrundete den Kaffeetisch und umarmte Micah. »Mir war nicht klar«, sagte ich, »dass das alles gar nicht so lange her ist, viel mehr als eine Seite in den Geschichtsbüchern ist. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Ich will nicht länger stören.«
    Er hielt meine Hände fest. »Sie stören nicht. Kommen Sie jederzeit wieder.«
    Als ich draußen in die Sonne trat, schob ich mir die Sonnenbrille vor die Augen, um meine Tränen zu verbergen. Ich fand eine Bank mit Blick auf die Bucht. Der Horizont verschob sich, bewegte sich, verblasste und kam wieder hinter den treibenden Wolken zum Vorschein. Vielleicht hatte Birdie ja recht, vielleicht war es gleichgültig, wen Mutter geliebt hatte, wichtig war, dass sie geliebt hatte. Vielleicht sollten ihre Liebesbriefe nie den Adressaten erreichen. Wenn sie ihm den letzten Liebesbrief nie gegeben hatte, warum sollte ich das tun? Warum hatte sie ihn behalten?
    Auszug aus Lillian Ashford Eddingtons Tagebuch
    Silvester 1962
    Zweiundzwanzig Jahre alt
    Ich bin jetzt Lillian Caulfield Ashford Eddington, Ehefrau von Redmond, Mutter von Lillian Caulfield Eddington. Ellie. Ihr Name müßte übersetzt »mein Herz« heißen, denn nichts anderes ist sie. Mein Herz.
    Wie kann jemand, von dem ich nie wußte, daß ich ihn brauche, alles sein, was ich je gebraucht habe?
    Ich dachte, ich wüßte, was Liebe ist, aber ich hatte keine Ahnung. Überhaupt keine. Liebe ist nicht Wollen und Brauchen, sondern das Gefühl, man würde für einen anderen sein Leben geben. Liebe bedeutet, es wird nicht ein Tag mehr vergehen, an dem man nicht an diese Person denkt. An Ellie.
    Also auch hier gehören der beste und der schlimmste Teil des Jahres wieder zusammen. Ich glaube, mir wären zwei voneinander getrennte Teile lieber – Gegenteile. Aber das Komische ist ja, daß manchmal die besten und die schlimmsten Dinge ein und dieselben sind.
    Als Mrs. Prinkle mich also fragte, ob ich schwanger sei, habe ich gelacht. Aber sie meinte es ernst. Sie fragte, wann ich zum letzten Mal meine Periode gehabt hatte, und ich mußte erst überlegen.
    Als mir bewußt wurde, wie lange es her war, wurde mir schwindelig. Nicht so, wie wenn man zu schnell aufsteht, sondern wie wenn der ganze Körper kribbelt und der Kopf sich anfühlt, als würde er wie ein Luftballon davonschweben.
    Da begriff ich.
    Genau da, den Blick auf Mrs. Prinkles schwarzes Stirnband geheftet, begriff ich.
    So schnell hatte ich noch nie etwas begriffen.
    leiben.«

A CHTZEHN
    A m Sonntag Morgen holte mich Hutch zum Buchfestival ab. Er stand in der offenen Tür des Gästehauses, hinter ihm leuchtete die aufgehende Sonne. Er lächelte, und ich wusste, was Hutch O’Brien für mich war: die Liebe, die ich um eines sicheren Lebens willen aufgegeben hatte.
    Meine

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