Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
und kletterte auf die Veranda.»Kann ich Hutch einladen? Er möchte die Geschichten über das Haus auch hören.«
Birdie lächelte mich an. »Sicher. In einer Stunde geht es los, okay?«
Ich kehrte ins Gästehaus zurück. Ich hatte mich nie für einen Menschen gehalten, der die Realität ignoriert oder den Tatsachen nicht ins Gesicht sieht, aber im Moment verdrängte ich total, dass mein Ehemann mich mitten in der Nacht verlassen hatte. Ich ließ mich aufs Sofa fallen und wählte Rustys Handynummer. Mit geschlossenen Augen wartete ich, dass er abnahm.
»Was willst du?«, fragte er ohne ein Wort der Begrüßung.
»Ich will über diese schreckliche Situation reden. Können wir bitte einfach reden?«
»Ellie, auf der Höllenfahrt nach Hause letzte Nacht habe ich beschlossen, dass ich erst wieder mit dir über alles rede, wenn du zu Hause bist. Ich mache diesen Mist nicht länger mit.«
»Es tut mir leid, Rusty. Es tut mir leid, dass du die ganze Nacht gefahren bist. Du hättest auch hierbleiben können.«
»Da?«
»Ja, hier.«
»Nein, das hätte ich nicht, Ellie. Komm nach Hause, sonst gibt es nichts mehr zu bereden.«
Er legte auf, und ich rollte mich auf dem Sofa zusammen. Die Türen meines Herzens gingen eine nach der anderen zu und fielen ins Schloss.
Und obwohl ich wusste, dass es falsch war, rief ich Hutch an und fragte, ob er mit auf die Bootsfahrt wolle, um die Sommerhausgeschichten zu hören. Natürlich wollte er.Das elf Meter lange Boot hieß Blindes Vertrauen . Es lag an Birdies Steg vertäut. Onkel Cotton zog die Abdeckung von den Sitzen, warf die Angelausrüstung in den Stauraum und ließ probeweise den Motor laufen. Birdie reichte ihm eine Kühlbox, die er im Bug verstaute.
»Wer soll das Ding fahren?«, fragte ich und kletterte auf das Boot.
»Ich.« Birdie warf einen Stapel Handtücher auf den Rücksitz. »Es gehört mir, und keiner fasst es an.«
Onkel Cotton lachte und wischte die Armaturen ab. »Ja, bis es darum geht, bei ablaufender Flut im Dunkeln anzulegen.«
Birdie warf mit einem Putztuch nach ihm. »Verrate nicht alle meine Geheimnisse. Die Leute sollen glauben, dass ich alles selber kann.«
Hutch sprang hoch auf den Steg und machte die vorderen Taue los. »Ich glaube das, Birdie.«
Vom Hof drang eine Stimme herüber. »Hallo.«
Wir blickten auf und sahen eine Frau in einer weißen Hose, einer pinkfarbenen Bluse und mit einem pinkfarbenen Stirnband auf uns zukommen, die einem Werbespot für »Ein Tag auf dem Boot« entsprungen zu sein schien. Ich warf Birdie einen Blick zu, wir mussten beide lächeln.
Onkel Cotton ging der Frau entgegen, nahm ihr galant die Tasche ab und half ihr aufs Boot. Sie lächelte. »Hallo, ich bin Babs Friedmann und schreibe für Coastal Living .« Damit streckte sie Hutch die Hand entgegen, dann wurden alle vorgestellt.
Birdie fuhr langsam los und erzählte die Geschichte von Bayside. Als sie fertig war, stellte sie den Motor ab, ließ uns von den Wellen wie auf Silberhänden getragen treiben, öffnete die Kühlbox und verteilte Limonade undGurkensandwichs. »Also, Ms. Friedmann«, sagte sie und schwang auf dem Kapitänsstuhl herum, »was würden Sie gerne wissen?«
»Nun …« Babs strich ihre Haare unter das Haarband zurück. »Wie Sie wissen, geht es in dem Artikel um die Mythen, die sich um die Häuser hier ranken. Und wenn man bei Ihnen wohnt, so heißt es, werden Wünsche wahr.«
»Na ja …« Birdie schüttelte den Kopf. »Das haben Sie falsch verstanden. So geht der Mythos nicht.«
»Oh«, sagte Babs und nahm ihr Sandwich in die andere Hand. »Wie denn dann?«
»Menschen, die im Sommerhaus wohnen, entdecken eine Wahrheit. Und das ist etwas ganz anderes, als einen Wunsch erfüllt zu bekommen.«
»Inwiefern?« Babs nahm einen Bissen.
»Man kann sich wünschen, dass sich ein Wunsch erfüllt oder dass man die Wahrheit erkennt. Das muss ganz und gar nicht das Gleiche sein.«
»Dann erzählen Sie mir doch, wie das Gerücht seinen Anfang nahm.«
Birdie lehnte sich zurück, warf Cotton einen Blick zu und sah dann wieder Babs an. »Das Haus hat nicht immer mir gehört, der Mythos hat also nichts mit mir, sondern mit dem Haus und der Bucht selber zu tun. Das Haus hat meiner Urgroßmutter gehört. Und die Legende sagt …« Hier hielt Birdie inne und atmete
Babs brachte einen Notizblock zum Vorschein. »Macht es Ihnen was aus, wenn ich mir Notizen mache?«
»Ja.« Birdie hob abwehrend die Hand. »Ich will, dass Sie die Geschichte hören, nicht
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