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Die Schwerelosen

Die Schwerelosen

Titel: Die Schwerelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valeria Luiselli
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Toilette oben. Die gleiche Geschichte.
    *
    Immer noch liest mein Mann morgens, was ich in der Nacht geschrieben habe, und meint, ich merke das nicht.
    *
    Als es Sommer wurde, zog Dakota in ihre neue Wohnung. Die lag in Queens, in der Nähe eines Friedhofs. An dem Tag, als man ihr die Schlüssel aushändigte, kauften wir drei Eimer kobaltblaue Farbe. Sie wollte, dass ihr Badezimmer so aussah wie das von Juliet Berto in
Céline et Julie vont en bateau.
Wir habenalle Fenster aufgerissen und uns bis auf die Unterhosen ausgezogen. Dann haben wir das Badezimmer gestrichen, die Küche und die Hälfte des einzigen Zimmers. Unsere Brustwarzen haben wir Kobaltblau angemalt. Als die Farbe aus war, haben wir uns auf den Boden gelegt und eine Zigarette angezündet. Dakota wollte, dass wir die Unterhosen tauschten.
    *
    Alles Fiktion, sage ich zu meinem Mann, aber er glaubt mir nicht. Wolltest du nicht einen Roman über Owen schreiben? Ja, sage ich, das ist ein Buch über das Gespenst Gilberto Owen.
    *
    In
Tausend und einer Nacht
webt die Erzählerin eine Reihe von Geschichten, um den Tag ihres Todes hinauszuschieben. Vielleicht dient ein ähnlicher, aber entgegengesetzter Mechanismus dieser Geschichte, diesem Tod. Die Erzählerin entdeckt, dass, während sie noch an einer Geschichte arbeitet, sich das Gewebe ihrer unmittelbaren Wirklichkeit abnutzt und brüchig wird. Der Faden der Fiktion beginnt die Realität zu verändern und nicht umgekehrt, wie es sein sollte. Keine der beiden ist verzichtbar. Das einzige Mittel, die einzige Weise, alle Ebenen der Geschichte zu retten, ist, den einen Vorhang zu schließen und einen anderen beiseite zu ziehen. Eine Jalousie herunterzulassen, um sich die Bluse aufknöpfen zu können: eine Geschichte in einem Ordner löschen und in einem anderen einen neuen Strang weben. Die ausweichendePenelope. Das aufschreiben, was geschehen ist, und das, was nicht geschehen ist. Am Ende jeden Arbeitstages gilt es, Absätze herauszutrennen, copy and paste, speichern; nur eine der beiden Dateien geöffnet lassen, damit sie der Mann lesen und seine Neugier befriedigen kann, bis er genug hat. Der Roman, der andere, heißt
Philadelphia.
    *
    So anfangen: Alles geschah in einer anderen Stadt und in einem anderen Leben. Es war im Sommer 1928. Ich arbeitete als Schreiber am mexikanischen Konsulat in New York, schrieb Berichte über den Preis der mexikanischen Erdnüsse auf dem amerikanischen Markt, der kurz vorm Platzen war – wie ein Sack Erdnüsse: ein Sack Mexikaner. Seitdem sind fast fünfundzwanzig Jahre vergangen; selbst wenn ich es wollte, könnte ich nicht so schreiben, als befände ich mich dort und sei dieser enthusiastische junge Schlacks, der, in einen grauen Morgenmantel gehüllt, Dickinson und Williams übersetzt.
    (Ich hätte gern so begonnen, wie
The Crack-Up
von Fitzgerald beginnt.)
    *
    Meine Kinder leben in New York bei meiner Exfrau, der schlauen Schlampe, und die ist eine Latina, die Latinos quält. Ich habe ein Apartment und ein Grab in Philadelphia. Sie ist Tochter eines kolumbianischen Militärs, eines Expräsidenten; ich: Sohn eines irischen Bergmanns, der mir zwar nichtdie roten Haare, wohl aber das Klassenressentiment und die Gabe der Verschwendung vererbt hat. Wir haben uns in Bogotá kennengelernt und dort geheiratet. Aus dieser morganatischen Ehe gingen zwei Kinder hervor, und wir waren, wie die meisten anderen auch, unglücklich –
largely unhappy
, wie die Yankees elegant sagen würden. Vor ein paar Jahren haben wir beide den
criollazo
gegeben. Ich habe in einem bogotanischen Spielsalon alles verloren und mich nach Philadelphia davongemacht. Sie hat nichts verloren und ist nach Manhattan davon, um dort eine Karriere als gekränkte lateinamerikanische Poetin zu beginnen.
    Den
criollazo
geben: mit Mitte dreißig deinen Mann verlassen, um sich den Männern der anderen zu widmen. Den
criollazo
geben: kurz vor fünfzig deine Frau verlassen, um dich den Frauen ohne Mann zu widmen.
    *
    Ich wohne seit drei Jahren in Philadelphia. Nach Geschacher im Außenministerium, von dem ich lieber kein Zeugnis ablegen möchte, wurde ich zum Honorarkonsul ernannt. Aber das ist jetzt alles nicht mehr wichtig: Ich werde allmählich blind, ich bin dick, so dick, dass mir Brüste gewachsen sind, zuweilen zittere ich, vielleicht stottere ich auch. Ich besitze drei Katzen und werde demnächst sterben.
    Alle zwei Wochen fahre ich nach Manhattan, um die Kinder zu besuchen. Nach zwanzig Jahren in die Stadt

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