Die Schwerelosen
erschien mir eher kurios als tragisch, trotz Dakotas Bemühungen, mich zu rühren. Nachdem wir eine Weile sein Grab gesucht hatten, stießen wir auf das von Robert Mapplethorpe. Dakota hatte einen Anfall falscher Wehmut und wollte, dass wir einen Augenblick innehielten. Sie bat um Schweigen. Mir hatten die Fotos von Mapplethorpe nie gefallen, aber ich gab nach, und wir setzten uns zu beiden Seiten des Grabsteins in die Sonne, zwei verfrühte Bildwerke von Patti Smith. Nach einigen Minuten tauchte zwischen den Büschen eine weiße Katze auf, sie kam näher und legte sich auf Dakotas Schoß. Diese hielt das für irgendein Zeichen, vielleicht hatte sie recht. Sie wollte die Katze mit nach Hause nehmen. Ich versuchte sie davon abzubringen, Friedhofskatzen gewöhnten sich nie an die Gesellschaft der Lebenden, doch Dakota hörte nicht auf mich. Wir hinterließen die für den armen Lucky Luciano mitgebrachten Blumen bei Mapplethorpe und machten uns auf, Katzenfutter zu kaufen.
*
Enrico bereitete eine Party vor. Komm mit deinen Freunden. Er war in Feierlaune, überdreht, plante seinen siebzigsten Geburtstag. Ein ums andere Mal ging er mit mir das Menü durch: Spanferkel, gefüllt mit Granatäpfelkernen, Salat mit Walnüssen und Ziegenkäse, weißer Reis mit Kokosmilch. Ichbrachte Dakota mit, die ihrerseits ihre neue Katze und ihren Exfreund mitbrachte; ich lud Moby und Pajarote ein; ich rief White an, aber der kam nicht; ich brachte Enrico seinen Plattenspieler zurück. Auf zermürbende Weise schleppend trafen dann auch einige Freunde von Enrico ein. Eine Frau, die Tänzerin gewesen war und immer noch die Schlüsselbeine zeigte und den Nabel einzog, als könne Haltung die Zumutungen so vieler Jahre ohne Trikot und Tutu aufheben; ein alter Biologieprofessor, der in einem Labor Fruchtfliegen paarte; ein junges Ding, Studentin der Ozeanografie, die beim Geburtstagskind zu punkten versuchte.
Wir aßen um einen Sofatisch herum, der in der Mitte des Wohnzimmers stand und auf dem lauter Papiere lagen. Wir hörten Platten, Beine und Schultern berührten sich, während wir auf dem Sofa oder auf dem Boden herumlagen und für falsche Erwartungen auf eine abartige Orgie sorgten, die nicht stattfinden würde. Enrico sprach stundenlang über die Erektion eines jungen Neapolitaners, den er, als er siebzehn war, an einem Nacktbadestrand gesehen hatte. Während wir an den Schweinefleischstücken kauten, erwähnte er den Film eines portugiesischen Regisseurs, dessen Namen ich nie erinnern kann, wo jemand bissweise einen Granatapfel verspeist. Es handelte sich anscheinend um eine erotische Szene. Jemand kotzte in der Küche. Dakotas Katze fraß das Erbrochene auf. Der Biologieprofessor übernahm das Kommando, spekulierte über die Beziehung zwischen dem Zuckergehalt einer Frucht und den Reproduktionszyklen der Fruchtfliegen. Die Studentin der Ozeanografie setzte sich auf die Sessellehnehinter Enrico und zeigte ihm die entscheidenden Punkte für die thailändische Massage, während sie darüber sprach, wie traurig doch die bevorstehende Ausrottung des australischen Hais sei. Pajarote schlief auf Dakotas Beinen ein. Sie trällerte etwas von Bessie Smith und rieb den Kopf ihres Exfreundes, der am Boden saß und sein Bein an meinem rieb, während er in den Papieren blätterte, die Enrico in einer extra für diese Nacht, seine Geburtstagsnacht, inszenierten Unordnung auf dem Tisch ausgelegt hatte.
Wollt ihr Kaffee?, fragte der Jubilar nach einem langen Schweigen.
Mehrere von uns hoben die Hand.
Enrico ging aus dem Raum und kam nicht zurück. Er war erschöpft auf sein Bett gefallen. Bevor wir gingen, defilierten wir alle im Gänsemarsch in sein Zimmer. Seine Schülerin küsste ihn auf die Stirn, und alle taten wir es ihr nach. Wie auf einer Beerdigung. Dann sind alle gleichzeitig gegangen, wie Geistertänzer in einer hypothetischen Choreografie. Zurück blieben Moby und ich. Wir versuchten auf Enricos Sessel zu vögeln, er streichelte meine Brüste. Ich wollte ihn küssen, aber sein Nacken roch nach Granatapfel und Schweinefleisch, und ich musste ins Bad und kotzen. Als ich in das Wohnzimmer zurückkam, war Moby gegangen. Das war das letzte Mal, dass ich ihn sah.
*
Ich habe die Kleine abgestillt. Fünf Tage lang waren meine Brüste rot und richtig hart. Aber der Gedanke, nicht mehr Milch zu geben, macht mich munter. Es war nicht leicht, es ist nie leicht, eine Person zu sein, die Milch gibt.
*
Als Moby verschwunden war, tauchte Pajarote
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