Die Schwester der Braut
es Alex ehrlich gesagt graute.
Sie erahnte bereits eine stockkonservative, oh-wie-heilig-ist-doch-die-Institution-der-Ehe-unter-Heterosexuellen-Festivität, bei der noch mehr peinliche, intime Geschenke für die Hochzeitsnacht ausgetauscht würden, zusammen mit ebenso peinlichen, intimen Details der Ehen ihrer älteren Anverwandten.
Konnte sie als Unverheiratete und Nicht-Braut dem nicht entgehen? Offenbar nicht. Denn neben Eloisa, Eleonora und Eleonoras Töchtern musste auch Eloisas fünfzehnjährige Enkelin, Penelope, an dem Abend teilnehmen. Das Mädchen wirkte schon sehr nervös. Ihre Augen leuchteten, und sie kicherte vor Aufregung, als hätte sie ihren ersten Schwips. Allerdings hatte Alkohol nichts damit zu tun. Es war der Mythos Eheschließung, der das Mädchen ergriffen hatte. Sie schien ihre eigene Hochzeitsnacht kaum noch erwarten zu können.
Alex verdrehte genervt die Augen und wünschte dem Mädchen eine vorangehende tolle Collegezeit und ein paar wirklich lausige Geliebte. Es war immer gut, Dinge in die richtige Perspektive zu rücken.
Als sie schließlich in zwei Autos beim Haus der Herreras ankamen, wurden bereits die ersten der wohlausgeklügelten Pläne der Brautmutter von ihren Schwägerinnen zerschlagen. Die bestanden nämlich darauf, ihre Koffer ins Haus zu bringen, was Übernachtungspläne andeutete.
Dies stellte Lauren vor ein Platzproblem. Die Schwestern bestanden üblicherweise darauf, allein zu schlafen. Ally würde allein in ihrem Bett schlafen, sie war schließlich die Braut. Tante Eleonoras Töchter, Teresa und Larissa, könnten zusammen in Alex’ Doppelbett schlafen, was die Couch für Penelope ließ. Blieben Lauren und Alex, wie Alex sich schnell im Kopf ausrechnete. Als sie die Koffer ihrer Tanten ins Haus trug, suchte ihr Blick den ihrer Mutter.
Die nickte. »Ich kümmere mich darum.«
Alex nahm an, dass sie sich um Zimmer in der Pension bemühen würde, in der auch ihre Verwandten über die Hochzeit einquartiert waren.
Doch als Lauren zurück ins Wohnzimmer kam, wo die Tanten bereits begonnen hatten, Alicia wie einen Weihnachtsbaum zu schmücken, flüsterte sie ihr im Vorbeigehen zu: »Ich habe Dana angerufen. Wir können bei ihr übernachten.«
Alex erstarrte, was ihre Mutter zum Glück nicht bemerkte. Kann mein Leben tatsächlich noch komplizierter werden? fragte sich Alex frustriert.
Die Vorgänge im Wohnzimmer ihres Elternhauses ließen darauf schließen. Es würde in jedem Fall noch wesentlich bizarrer werden, bevor der Abend vorüber war.
Die Nacht vor der Hochzeit
J edes noch so bizarre Ritual fand einmal ein Ende.
Allen Bedenken zum Trotz hatte Alex sich blendend amüsiert und beendete den Abend nur ungern. Da die Aufmerksamkeit aller auf Alicia gerichtet gewesen war, hatte sie sich zurücklehnen können, ein paar Gläser Wein getrunken und über die Dinge geschmunzelt, die gesagt wurden. Tatsächlich war die ganze Angelegenheit weniger auf die Ehe und damit auf den Mann gemünzt gewesen als auf Frauen und ihre familiären Bindungen. Letztendlich waren alle Herrera-Frauen durch diese Bande verbunden.
Ein ums andere Mal schoss Alex der Gedanke durch den Kopf, wie gut Dana hier hineingepasst hätte. Sie hätte Gefallen gefunden an dem herrschenden Zusammenhalt, an den Geheimnissen, die geteilt wurden. Alex hatte sich ihrer Familie noch nie so nahe gefühlt und konnte jetzt ein wenig besser verstehen, wie es für ihre Mutter gewesen sein musste, in diese Familie einzuheiraten; warum sie ihre Tanten, die meistens ganz schön schwierig waren, immer mit Respekt und Liebe behandelte.
Es war ein rührender Abend gewesen. Als Alex und Lauren sich schließlich auf den Weg zu Danas Haus machten, sagte Alex: »Das war sehr schön, was Tante Eloisa am Ende gesagt hat. Wie stolz sie sei, dass wir alle zusammengekommen sind und dass wir in dieser Runde auch die nächste Generation von Frauen willkommen heißen werden.«
»Ja, sie hat ein Gespür für die richtigen Worte. Das hast du wohl von ihr.« Lauren legte ihren Arm um Alex’ Taille.
Alex war froh, dass sie trotz allem, was in dieser Woche passiert war, nach Hause gekommen war. Sie fühlte sich ihrer Mutter so nah wie schon lange nicht mehr, vielleicht noch nie.
Mit Alicia hatte sie an diesem Abend ein wenig Mitleid gehabt. Ihre Schwester wirkte verängstigt, denn auf ihr lag nun die Zukunft. Außerdem waren die meisten Scherze des Abends auf ihr Konto gegangen.
Alex lächelte leicht und legte ihren linken Arm um
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