Die Schwester der Braut
sie es niemals wissen würde, und sich Vorwürfe gemacht, dass sie es nicht gesehen hatte, dass sie es nicht verhindert hatte. Hier war nun vielleicht die Möglichkeit, jemanden zu finden, der Josh wirklich gekannt hatte. Der ihn außerdem kurz vor seinem Tod noch gekannt hatte. Trotzdem schreckte Dana davor zurück ihn aufzusuchen und wieder dieselben Fragen zu stellen: Wer war mein Sohn? Warum hat er Drogen genommen? Warum hat er mich nicht um Hilfe gebeten?
Lauren legte das Bild zurück auf das Fotoalbum und nahm Danas Hände. »Ich denke, du solltest es versuchen, Dana. Wenn er dieses Foto weniger als ein Jahr vor Joshs Tod gemacht hat, dann hatten sie vielleicht noch Kontakt als Josh . . . starb.«
Dessen war sich Dana bewusst. Und sie war sich auch bewusst, was dies bedeutete. Sie könnte endlich Antworten auf ihre vielen Fragen bekommen. Vielleicht auch solche, die sie nicht hören wollte. Dass es ihre Schuld war. Dass Josh sie insgeheim gehasst hatte. Dass sie ihn nicht genug geliebt hatte.
Tränen liefen Dana ungehemmt über die Wangen. Wie konnte sie so etwas denken? Josh war ein guter Junge gewesen. Er hatte sie geliebt, das wusste Dana.
Sie nickte langsam. »Ja. Ich muss am Montag nach Waldorf. Ich kann nach meinem Termin nach Baltimore fahren und in diesem Fotostudio vorbeigehen. Dann werde ich sehen, ob Joshs Freund noch dort arbeitet.«
Lauren drückte Dana kurz an sich. »Wenn du willst, komme ich mit. Oder vielleicht hat Alex Zeit . . .«
Dana sah zu Lauren auf. Die hielt inne. Die jüngere Frau schüttelte den Kopf. »Das ist keine gute Idee.« Dana hielt Laurens Blick für einen langen Moment fest. Sie wollte ihrer Freundin die Wahrheit sagen, es endlich loswerden. Aber nach allem, was sie die letzten Tage durchgemacht hatte, fühlte sie sich nicht stark genug. Sie wollte nicht auch noch ihre beste Freundin verlieren.
»Du hast Gefühle für Alex." Laurens Stimme klang überrascht. Sie musste es gerade erst entdeckt haben.
Dana zuckte zusammen.
Sie sahen sich für eine Weile nur an.
Unter Laurens forschendem Blick senkte Dana beschämt die Lider. »Ich . . . weiß nicht, wie . . . Ich . . . Mit der Scheidung und allem . . . Wir sind nicht . . . Wir haben nicht . . .«
Sie saßen schweigend, bis Dana schließlich ihre Gedanken geordnet hatte.
»Du musst mich für verrückt halten«, sagte sie. »Ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte. Ich stecke mitten in meiner Scheidung.«
Lauren hielt noch immer die Hände ihrer Freundin.
Dana nahm dies als gutes Zeichen und auch als Fixpunkt für ihre Augen, denn sie wagte es noch immer nicht Lauren anzusehen. »Wir haben uns nur unterhalten und dann . . . wir haben uns geküsst«, brachte sie schließlich heraus. Sie schaute kurz auf.
Der Blick aus Laurens blauen Augen verriet Aufmerksamkeit, Neugier, aber keine Verärgerung. Im Moment hörte sie einfach zu.
»Wir wissen beide, wie unmöglich es ist. Alex ist . . . so jung. Sie lebt in Baltimore, und ich lebe hier. Dann die Scheidung. Es ist . . . keine gute Idee«, schloss Dana und sah Lauren erwartungsvoll an.
»Ich bin mir nicht sicher, was ich dazu sagen soll, Dana«, sagte die ältere Frau schließlich. »Alex ist erwachsen. Das bist du ebenfalls. Ihr . . .« Sie schüttelte den Kopf. Es schien ihr schwerzufallen, ihre Tochter und ihre Freundin als eine Einheit zu betrachten.
»Ich bin eine furchtbare Freundin. Du hast mir vertraut und ich . . .«
Lauren unterbrach sie, indem sie Danas Hände zu sich zog und Dana damit zwang, ihr wieder ins Gesicht zu sehen. »Glaube bitte nicht, ich sei dagegen. Es ist eine neue Situation.« Das war sehr diplomatisch ausgedrückt. Doch wünschte Lauren sich tatsächlich, dass ihre Tochter mit ihrer besten Freundin ausging?
»Wir sind nicht zusammen, Lauren. Wir . . . telefonieren. Wir reden. Ich weiß nicht, was ich ohne Alex getan hätte . . .« Dana stoppte sich. »Natürlich hättest du mir ebenso geholfen . . .« fügte sie schnell hinzu. Sie atmete tief durch. Diese Sache war wirklich schwer zu erklären.
»Ja, das hätte ich. Aber du wolltest mit Alex darüber reden, und das ist auch okay, Dana.«
»Wirklich?«
Lauren lächelte. »Wir sind einander sehr nahe, Dana. Als ich zu Alex gesagt habe, dass ich dich als Teil der Familie erachte, war das nicht übertrieben. Ich habe selbst keine Schwester, aber ich habe mir als Kind immer eine gewünscht. Du bist wohl die Person in meinem Leben,
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