Die Schwester der Braut
seinem Leben nur zufrieden geben. Es machte sie noch trauriger zu wissen, dass Dana auch weiterhin so leben würde. Sie beide würden es. Nicht glücklich, aber auch nicht allzu unglücklich. Aber vor allem nicht zusammen.
Alex erwiderte nichts. Sie fürchtete, wieder könne ihr eine unpassende Bemerkung herausrutschen und Dana würde die Unterhaltung erneut unterbrechen.
»Bist du noch da?«, fragte Dana nach einer Weile.
»Ja, ich bin hier.«
»Danke, Alex. Fürs Zuhören. Ich . . . ich weiß nicht, was ich getan hätte . . .«
»Du hättest meine Mom angerufen«, sagte Alex bestimmt.
»Ja, vermutlich«, bestätigte Dana. »Ich wollte mit dir reden, Alex.«
»Ich bin froh über deinen Anruf.«
»Josh . . . er war kein schlechter Junge. Wahrscheinlich denkst du, was alle über Menschen über Drogensüchtige denken: Sie seien schwach und nutzten andere nur aus. Josh ist nicht so gewesen. Er war mein Sohn«, rechtfertigte Dana den Menschen, den sie vermutlich am meisten auf der Welt liebte. Nur, dass er nicht mehr zu dieser Welt gehörte.
»Ich mochte Josh, Dana«, versicherte Alex ihrer Freundin.
»Und er mochte dich auch. Ich wünschte . . .«
Es gab vieles, das sich Dana wünschte. Sie hatte sich immer gewünscht, Josh und Alex wären einander altersmäßig näher gewesen. Dann hätten sie Freunde sein können. Das hatte sie sich gewünscht, seit sie Alex auf ihrer Hochzeit hatte herumlaufen sehen. Damals hatte sie gehofft, dass sie bald ein Kind haben würde, mit dem das kleine Mädchen spielen würde; mit dem auch Alex’ ungeborene Schwester spielen würde. Doch es dauerte sechs Jahre bis sie schwanger wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Alex bereits neun und Alicia sechs. Sie hatten kein Interesse an einem Baby gehabt, noch dazu einem Jungen. Natürlich hatte der andauernde Zwist zwischen Brian und Jorge auch nicht geholfen. Es war eigenartig, wie sich die Dinge entwickelt hatten. Nichts schien so abgelaufen zu sein, wie sie es sich als junge Braut ausgemalt hatte.
»Ich wünschte, du müsstest nicht durch das alles durch, Dana. Ich wünschte, ich könnte dir helfen.«
Dana lächelte leicht. »Das tust du, Alex«, versicherte sie.
»Ich wünschte, ich könnte dich halten.« Es war sehr leise vorgebracht, fast schüchtern, unsicher, wie Dana reagieren würde.
»Ich wünschte, das wäre möglich«, entgegnete Dana. »Ich wünsche mir viele Dinge, Alex. Aber wünschen funktioniert nicht. Durch Wünsche bekomme ich meinen Sohn nicht zurück . . .« Sie hielt inne. Erneut spürte sie Tränen. Sie hielt die Augen so lange geschlossen, bis sie wieder vergingen.
Alex sagte nichts, sondern lauschte der Atmung der anderen Frau, hoffte, sie würde ihr vielleicht erlauben, doch zu ihr zu kommen, sie bitten, zu ihr zu kommen. Vergeblich.
Nach einer Weile sagte Dana: »Ich bin sehr müde, Alex. Ich möchte jetzt schlafen gehen.«
»Bist du sicher? Es macht mir nichts aus. Ich bleibe die ganze Nacht am Hörer, wenn du noch reden willst«, erwiderte Alex. Sie wollte nicht auflegen. Sie wollte Dana nicht loslassen.
»Ich bin sicher. Ich danke dir. Du bist eine gute Freundin.«
Alex konnte hören, wie Dana sich bewegte. Gleich darauf knarrten die Dielen unter ihren Füßen, während sie wohl von der Couch aufstand und ins Schlafzimmer ging.
»Ich bin immer für dich da«, bestätigte Alex, was Dana bereits wusste.
»Danke. Dasselbe gilt auch umgekehrt.«
»Ja, ich weiß.«
»Gute Nacht, Alex.«
»Gute Nacht, Dana. Ich . . .« Sie sagte es nicht.
Für einen kurzen Moment horchten sie beide in die Leitung, ob Alex den Satz vervollständigen würde. Doch die anderen beiden Worte blieben ungesagt.
Dana legte auf.
Die Sorgen einer Mutter
E s klingelte an der Tür. Von ihrem Platz auf der Couch sah Dana auf. Sie saß dort mit einem Foto ihres Sohnes. Ihr Blick wechselte zwischen ihm und dem gigantischen Strauß frischer Lilien, der auf dem Tisch stand. Ein Bote hatte ihn vor etwa einer Stunde gebracht. Die Karte, die ihn begleitete, sagte einfach nur die Worte: »Ich denke an dich. Alex.«
Dana wusste nicht, womit sie jemanden in ihrem Leben verdient hatte, der sich so sorgte. Ohne Alex’ Hilfe hätte sie vermutlich an diesem Morgen nicht einmal den Weg aus dem Bett gefunden. Sicher, sie war nur bis auf die Couch gekommen, in Schlabberhosen und ungeschminkt. Aber zumindest lag sie nicht zusammengerollt und weinend unter einem Berg Decken. Das verdankte sie Alex und ihrem Telefongespräch am
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