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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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befohlen«, erwiderte sie trotzig.
    »Man hat dir gewiß nicht befohlen, mich zu verdrängen«, entgegnete ich in scharfem Ton.
    Sie zuckte die Achseln, ganz Unschuld. »Ich kann doch nichts dafür, daß er mich begehrt«, sagte sie honigsüß. »Bei Hof sind unzählige Männer, die mich begehren. Ermutige ich sie etwa? Aber nein!«
    »Du sprichst mit mir, deiner Schwester, vergiß das nicht«, antwortete ich bitter. »Und nicht mit einem deiner Hofnarren. Ich weiß, daß du alle und jeden ermutigst.«
    Sie warf mir ein gleichgültiges Lächeln zu.
    »Was erhoffst du dir eigentlich davon, Anne? Willst du seine Mätresse werden? Mich von meinem Platz verdrängen?«
    Sie überlegte ein wenig. »Ja, ich glaube schon, aber es ist riskant.«
    »Riskant?«
    »Wenn ich zulasse, daß er mich besitzt, verliert er das Interesse. Er ist ein Mann, der schwer zu halten ist.«
    »Das finde ich nicht.« Ich schrieb mir einen kleinen Punkt zu.
    »Du hast gar nichts davon gehabt. Und Bessie Blount hat er, als er genug von ihr hatte, mit einem Niemand verheiratet. Für sie ist auch nichts dabei herausgesprungen.«
    Ich biß mir so fest auf die Zunge, daß ich das Blut schmecken konnte. »Wie du meinst, Anne.«
    »Ich glaube, ich werde mich ihm nicht hingeben. Jedenfalls so lange nicht, bis er begriffen hat, daß ich keine Bessie Blount bin – und auch keine Mary Boleyn. Ich bin mehr wert. Ich halte ihn so lange hin, bis er mir ein Angebot macht, ein außerordentlich großes Angebot.«
    Ich stutzte. »Henry Percy wirst du so niemals zurückbekommen, |245| wenn du dir das davon erhoffst«, warnte ich sie. »Damit belohnt er dich bestimmt nicht für deine Gunstbezeigungen, nicht mit Percy.«
    Mit zwei Sätzen hatte sie das Zimmer durchquert, meine Hände gepackt und mir die Fingernägel in die Handgelenke gekrallt. »Du wirst diesen Namen niemals mehr erwähnen«, zischte sie. »Niemals!«
    Ich kämpfte mich frei und kriegte sie an den Schultern zu fassen. »Ich sage, was ich will«, schrie ich zurück. »Genauso, wie du gesagt hast, was du willst. Du bist verflucht, Anne. Deine einzige Liebe hast du verloren, und jetzt schaust du mit begehrlichen Augen auf alles, was nicht dir gehört. Du willst, was mir gehört. Du wolltest schon immer alles, was mir gehört.«
    Sie entwand sich mir und riß die Tür auf. »Verlasse sofort diesen Raum«, befahl sie mir.
    »Du kannst gehen«, berichtigte ich sie. »Dies hier ist
mein
Zimmer, wenn du dich erinnerst.«
    Einen Augenblick lang blitzten wir einander voller Verachtung an. Und da war noch ein anderes, viel finstereres Gefühl. Es war die alte Geschichte von den beiden Schwestern, für die zusammen auf der Welt kein Platz war. Die einander bis auf den Tod bekämpfen würden.
    Ich wandte mich als erste ab. »Angeblich stehen wir ja auf der gleichen Seite.«
    Sie stieß krachend die Tür wieder zu. »Es ist unser Zimmer«, beschloß sie.
     
    Nun war die Linie zwischen mir und Anne klar gezogen. Unsere ganze Kindheit hindurch hatte die Frage im Raum gestanden, wer die bessere Boleyn-Schwester sei. Jetzt sollte die Rivalität unserer Mädchenzeit auf der größten Bühne des Königreiches ausgetragen werden. Ende des Sommers würde eine von uns die anerkannte Mätresse des Königs sein. Die andere würde ihr als Zofe, Helferin, vielleicht Hofnärrin dienen.
    Ich hatte eigentlich keine Chance, Anne zu bezwingen. Ich hätte gern Intrigen gesponnen, doch ich hatte keine Verbündeten, keine Macht. Niemand in meiner Familie fand es |246| nachteilig, daß nachts ich im Bett des Königs lag und Anne tagsüber nicht von seiner Seite wich. Für die Familie war die Situation ideal: Das kluge Boleyn-Mädchen war seine Gefährtin und Beraterin, das fruchtbare Boleyn-Mädchen seine Geliebte.
    Nur ich sah, was Anne dieses Spiel kostete. Nachdem sie getanzt und gelacht und ständig die Aufmerksamkeit des gesamten Hofstaats auf sich gezogen hatte, saß sie nachts mit erschöpftem Gesicht vor dem Spiegel.
    Oft kam George in unser Zimmer und brachte Portwein für uns alle mit. George und ich schafften sie dann ins Bett, deckten sie zu und beobachteten, wie sie ihr Glas austrank und wie langsam die Farbe auf ihre Wangen zurückkehrte.
    »Gott weiß, wohin uns das alles führt«, murmelte George mir eines Abends zu, als wir über ihren Schlaf wachten. »Der König ist völlig vernarrt in sie. Der gesamte Hof ist verrückt nach ihr. Was, in Gottes Namen, erhofft sie sich davon?«
    Anne regte sich im Schlaf.
    »Pst«,

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