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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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einem Stalljungen die Zügel zu und schaute mir über die Schulter. Sofort wanderten die dunkelblauen Augen zu ihm hin, musterten das neue Gesicht.
    »Er schaut seinen Onkel an«, meinte George zufrieden. »Gut. Sieh mich gut an, mein Junge. Wir werden einander noch viel Glück bringen. Ist er nicht ein Tudor, Mary? Dem König wie aus dem Gesicht geschnitten. Gut gemacht, Mary.«
    Ich lächelte, während ich die rosigen Wangen und das goldene Haar betrachtete, das in kleinen Locken unter der Haube hervorblitzte, die dunkelblauen Augen, die mit so ruhigem Selbstvertrauen von Georges Gesicht zu meinem wanderten. »Ja, nicht wahr?«
    »Seltsam.« George senkte seine Stimme zu einem Flüstern, das nur für meine Ohren bestimmt war. »Denk dir nur, vielleicht leisten wir eines Tages diesem kleinen Kerlchen unseren Treueid. Möglicherweise wird er König von England, der größte Herrscher Europas. Und du und ich, wir wären dann völlig von ihm abhängig.«
    Ich packte das Bündel fester und spürte den kleinen warmen Körper. »Gott möge ihn sicher bewahren, was immer die Zukunft ihm bringt«, flüsterte ich.
    »Er möge uns alle bewahren«, erwiderte George. »Denn der Weg zum Thron wird für ihn nicht einfach sein.«
    Er nahm mir das Kind ab, reichte es lässig der Amme, als wäre er der Spekulationen überdrüssig, und führte mich zum Eingang des Wohnhauses. Ich hielt inne, denn dort auf der Schwelle stand ein kleines Mädchen von etwa zwei Jahren, das |238| noch kurze Kinderkleidchen trug, und blickte zu mir auf, als sei ich eine Fremde.
    Ich ging vor ihr in die Hocke. »Catherine, weißt du, wer ich bin?«
    Ihr kleines blasses Gesicht bebte, verzog sich aber noch nicht zum Weinen. »Meine Mutter.«
    »Ja«, antwortete ich. »Ich wollte schon früher kommen und dich besuchen, aber man hat mich nicht gelassen. Ich habe dich vermißt, meine Tochter. Ich wollte dich bei mir haben.«
    Sie schaute zu der Dienerin hoch, die ihre kleine Hand hielt. Ein Händedruck vermittelte ihr, daß sie antworten sollte. »Ja, Mutter«, erwiderte sie mit dünnem Stimmchen.
    »Erinnerst du dich überhaupt an mich?« fragte ich. Mein Schmerz war für alle hörbar, die in der Nähe standen. Catherine schaute zu der Dienstmagd auf, die sie an der Hand hielt, dann wieder zu mir. Ihr Gesicht verzog sich, und sie brach in Tränen aus.
    »O Gott«, meinte George unmutig. Er nahm mich fest am Ellbogen und zog mich hoch und über die Schwelle in mein Zuhause. Dann schob er mich entschlossen in Richtung des großen Saals. Im Kamin brannte ein Feuer, obwohl es Mittsommer war. In dem großen Sessel davor saß meine Großmutter Boleyn.
    »Wie geht es Euch?« erkundigte sich George knapp. Er wandte sich an die Mitglieder des Haushalts, die uns in den Saal gefolgt waren. »Hinaus und an die Arbeit«, ordnete er kurz an.
    »Was ist mit Mary los?« fragte ihn meine Großmutter.
    »Die Hitze und die Sonne«, improvisierte George. »Und der Ritt so bald nach der Geburt.«
    »Sonst nichts?« erkundigte sie sich mißtrauisch.
    George schob mich in einen Sessel und ließ sich selbst auf eine Bank fallen. »Durst«, antwortete er betont. »Ich denke, daß sie halb verdurstet ist und nach einem Glas Wein lechzt. Mir jedenfalls geht es so, Madam.«
    Die alte Dame strahlte begeistert über sein rüpelhaftes Benehmen und deutete mit der Hand auf die schwere Anrichte, |239| die hinter ihr stand. George schenkte mir und sich selbst Wein ein. Er stürzte sein Glas in einem Zug herunter und füllte es sofort noch einmal.
    Ich fuhr mir mit dem Handrücken übers Gesicht und blickte mich um. »Ich möchte, daß man mir Catherine bringt«, sagte ich.
    »Laß das lieber«, riet mir George.
    »Sie hat mich kaum erkannt. Sie scheint mich völlig vergessen zu haben.«
    »Deswegen habe ich ja gesagt, du sollst es lassen.«
    George blieb eisern. »Wahrscheinlich hat man sie aus dem Kinderzimmer hergezerrt, als die Glocke läutete, sie in ihr bestes Kleidchen gesteckt, nach unten gebracht und ihr eingeschärft, dich ja höflich zu begrüßen. Dem armen Kind war sicher ganz schlecht vor Furcht. Mein Gott, Mary, erinnerst du dich denn nicht mehr an das Theater, wenn Mutter und Vater kamen? Es war schlimmer als der erste Besuch bei Hof. Du hast dich immer vor Angst übergeben müssen, und Anne lief tagelang in ihrem besten Kleid herum. Es ist eben nervenzerrüttend, wenn einen die Mutter besuchen kommt. Gib ihr ein wenig Zeit, bis sie sich beruhigt hat. Dann gehst du ganz einfach

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