Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
mit mir zurück an den Hof, ich komme ohne dich nicht aus.«
    »Ich sehe nicht ein, wieso …«
    »Ich schon«, meinte George. »Anne braucht eine Zimmergenossin, der sie vertrauen kann. Wenn sie die Tür des Schlafgemachs |319| hinter sich schließt, muß sie sicher sein, daß niemand der Königin zuträgt, ob sie weint, niemand Henry petzt, ob sie wütend ist. Sie spielt jeden Tag eine Rolle, und da braucht sie eine Schauspielertruppe, die sie unterstützt. Sie muß Menschen um sich haben, die sie kennt, bei denen sie sie selbst sein kann. Es darf nicht alles Maskenspiel sein.«
    »Ja«, erwiderte Anne überrascht. »Genau so ist es. Woher wußtest du das?«
    »Weil Francis Weston für mich so ein Freund ist«, antwortete George offen. »Ich brauche jemanden, für den ich nicht Bruder oder Sohn oder Ehemann bin.«
    »Oder Geliebter«, warf ich ein.
    Er schüttelte den Kopf. »Nur Freund. Aber ich weiß, wie sehr dich Anne braucht, weil ich ihn brauche.«
    »Nun, und ich brauche meine Kinder«, sagte ich trotzig. »Anne kommt recht gut ohne mich aus.«
    »Ich bitte dich als meine Schwester.« Der Ton ihrer Stimme ließ mich aufhorchen. Die Krankheit hatte ihre Arroganz ein wenig gemildert. Einen Augenblick klang es wirklich so, als wäre ihr die Zärtlichkeit einer Schwester wichtig. Langsam, ganz langsam streckte Anne in einer ungewohnten Geste die Hand zu mir aus.
    »Mary … Ich kann es allein nicht schaffen«, flüsterte sie. »Das letzte Mal hat es mich beinahe umgebracht. Ich wäre innerlich zerbrochen, wenn ich noch lange so hätte weitermachen müssen. Und jetzt muß ich zum Hof zurück, und alles fängt wieder von vorne an.«
    »Kannst du den König nicht ohne diese ungeheure Anstrengung halten?«
    Sie lehnte sich zurück und schloß die Augen. Jetzt sah sie nicht mehr aus wie die willensstärkste, geistreichste junge Frau an einem glänzenden Hof, sondern wie ein erschöpftes junges Mädchen, das die Abgründe der eigenen Ängste kennengelernt hat. »Nein. Die einzige Methode, die ich kenne, ist, stets die Beste zu sein.«
    Ich streckte die Hand aus und spürte, wie sie meine Finger umklammerte. »Ich komme mit und helfe dir.«
    |320| »Gut«, sagte sie leise. »Ich brauche dich wirklich. Bleib an meiner Seite, Mary.«
     
    Als wir wieder bei Hof waren, diesmal im Bridewell Palace, hatte sich das Blatt gewendet. Der Papst, der die ewigen Petitionen aus England leid geworden war, schickte einen italienischen Theologen, den Kardinal Campeggio, nach London, um die Angelegenheit der königlichen Ehe endgültig zu entscheiden. Die Königin schien sich durch diese neue Entwicklung keineswegs bedroht zu fühlen, sondern begrüßte sie. Sie sah gut aus: Auf ihrer Haut lag noch ein rosiger Schimmer von der Sommersonne. Sie hatte die Gesellschaft ihrer Tochter genossen. Der König war in seiner panischen Angst vor Ansteckung leicht zu unterhalten gewesen. Sie hatten über die Gründe für die Krankheit gesprochen, gemeinsam Maßnahmen zur ihrer Eindämmung geplant und besondere Gebete formuliert, die auf königlichen Befehl in allen Kirchen gesprochen werden mußten. Sie hatten sich gemeinsam um das Wohlbefinden des Landes gesorgt, das sie schon so lange regierten. Obwohl der König stets an Anne dachte, hatte sie doch ein wenig an Glanz eingebüßt, war nur noch eine von vielen Kranken. Wieder einmal hatte sich die Königin als die einzige treue und verläßliche Freundin in einer gefährlichen Welt erwiesen.
    Ich spürte die Veränderung, sobald wir ihre Gemächer im Palast betraten. Sie trug ein neues Kleid aus dunkelrotem Samt, das sehr gut zum warmen Glanz ihres Teints paßte. Sie sah nicht aus wie eine junge Frau – jung würde sie nie wieder sein –, doch strahlte sie ein Selbstbewußtsein aus, das Anne niemals haben würde.
    Sie begrüßte Anne und mich mit einem feinen ironischen Lächeln. Sie erkundigte sich nach meinen Kindern und nach Annes Gesundheit. Wenn ihr kurz der Gedanke durch den Kopf geschossen war, daß die Welt ein besserer Ort wäre, hätte das Schweißfieber meine Schwester dahingerafft wie so viele andere, verriet ihre Miene jedenfalls nichts davon.
    Theoretisch waren wir noch immer ihre Hofdamen, wenn auch der Empfangsraum und die Privatgemächer, die man uns |321| zugewiesen hatte, beinahe so groß waren wie die Räume der Königin. Die Hofdamen eilten zwischen ihren und unseren Gemächern und den Audienzgemächern des Königs hin und her. Man hatte das Gefühl, daß beinahe alles

Weitere Kostenlose Bücher