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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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anstatt nur Mätresse des einen, Ehefrau des anderen und Schwester einer Boleyn zu sein. Ich könnte meine Kinder unter meinem eigenen Dach großziehen. Natürlich müßte ich dazu von irgendwoher Geld bekommen. Ich mußte einen Mann, einen Howard oder einen Boleyn oder den König, überreden, mir eine Rente auszusetzen, so daß ich die Kinder großziehen und meinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Es war immerhin möglich, daß ich genug zusammenbekommen würde, um als Witwe ein bescheidenes Leben auf meinem eigenen kleinen Gut zu führen.
    »Das kannst du doch nicht wirklich wollen!« rief George aus, als ich ihm bei einem Spaziergang im Wald diesen Plan darlegte. Die Kinder versteckten sich hinter Baumstämmen und schlichen sich an uns an, während wir langsam vorausgingen. Ich tat meinem Sohn den Gefallen und gab vor, nicht zu hören, wie er mit lautem Getöse von Baum zu Baum näher kam.
    »Du warst doch der Liebling des Hofes«, protestierte George. »Warum möchtest du nicht eine großartige Heirat machen? Vater oder Onkel könnten dir jeden Gatten in ganz England besorgen. Wenn Anne Königin wird, könntest du sogar einen französischen Prinzen heiraten.«
    »Es ist und bleibt die Rolle der Ehefrau, ob es nun in einem großen Burgsaal oder in einer Küche ist«, antwortete ich bitter. »Ich kenne sie zur Genüge. Ich könnte kein eigenes Geld verdienen, alles wäre nur für meinen Herrn und Meister. Ich müßte seinen Befehlen so schnell Folge leisten, als wäre ich eine Dienerin bei Tisch. Ich müßte alles ertragen, was ihm zu tun einfällt, und noch dazu lächeln. In den letzten Jahren war ich Hofdame bei Königin Katherine. Ich habe mit angesehen, wie man sie beschämt, erniedrigt und beleidigt hat, und ihr blieb nichts weiter übrig, als sich auf ihren Gebetsstuhl zu knien und um göttliche Hilfe zu flehen, sich wieder zu erheben und die Frau freundlich anzulächeln, die über sie triumphierte. Das finde ich nicht sehr reizvoll, George.«
    |317| Hinter mir kam Catherine angerannt und packte mich am Rock. »Gefangen. Ich habe dich gefangen!«
    George wandte sich um und hob sie hoch, warf sie in die Luft und reichte sie dann mir. Sie war inzwischen schwerer geworden, ein kräftiges vierjähriges Mädchen, das nach Sonne und Blättern duftete.
    »Schlaues Kind«, lobte ich sie.
    »Und was ist mit ihr?« fragte George. »Würdest du ihr eine gehobene Position in der Welt versagen wollen? Sie wird einmal die Nichte der Königin von England sein, vergiß das nicht.«
    Ich zögerte. »Wenn wir Frauen nur mehr für uns haben könnten«, sagte ich sehnsüchtig.
    »Und was ist mit Henry?« erkundigte sich George. »Dein kleiner Henry ist der Neffe des englischen Königs, und alle wissen, daß er auch sein Sohn ist. Wenn Anne, was Gott verhüten möge, keinen Sohn bekommt, dann könnte Henry einen Anspruch auf den englischen Thron anmelden, Mary. Dein Sohn ist der Sohn eines Königs, und er könnte sein Erbe werden.«
    Ich strahlte nicht bei diesem Gedanken. Ich blickte ängstlich in den Wald, wo mein kleiner Junge sich tapfer bemühte, mit uns Schritt zu halten, und kleine Lieder vor sich hin summte, die er sich selbst ausgedacht hatte.
    »Gott gebe nur, daß er in Sicherheit ist«, sagte ich.

|318| Herbst 1528
    Anne überlebte die Krankheit und erholte sich in der klaren Luft von Hever jeden Tag ein bißchen mehr. Wenn sie ihr Zimmer verließ, wollte ich noch immer nicht bei ihr sitzen, so sehr fürchtete ich, meine Kinder anzustecken. Anne spottete über meine Ängste, aber es war ein schriller Unterton in ihrer Stimme. Sie fühlte sich vom König verraten, der einfach geflohen war. Und sie war tödlich beleidigt, weil er den Sommer mit Königin Katherine und Prinzessin Mary verbrachte.
    Sie war wild entschlossen, ihn aufzusuchen, sobald das Wetter wieder kühler wurde und das Schweißfieber abgeklungen war. Ich hoffte, man würde mich einfach übersehen, während man sich eifrig bemühte, Anne auf den Thron zu bringen.
    »Du mußt mit mir an den Hof zurückkehren«, sagte Anne.
    Wir waren an unserem Lieblingsplatz beim Wassergraben. Anne hatte sich auf der Steinbank niedergelassen, George lag vor Anne auf dem Rasen ausgestreckt. Ich saß im Gras, lehnte mich an die Bank und beobachtete aufmerksam meine Kinder, die im Wasser planschten.
    »Mary!« Annes Stimme klang scharf.
    »Ich habe dich gehört«, erwiderte ich, wandte aber den Kopf nicht zu ihr hin.
    »Sieh mich an!«
    Ich blickte zu ihr auf.
    »Du mußt

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