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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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streichelte. Gebannt und erschreckt sah ich zu, wie seine Finger sich in ihr dunkles, glattes Haar wühlten und ihren Kopf nach hinten zogen, während er sie küßte. Dann öffnete sie die Augen und seufzte leise. »Genug.« Und sie schob ihn sanft vom Bett. George kehrte an seinen Platz |408| am Kamin zurück, und wir taten alle so, als sei es nur ein brüderlicher Kuß gewesen.
     
    Am nächsten Tag verhielt sich Jane Parker selbstbewußt wie eh und je. Sie lächelte mich an, knickste vor Anne und reichte ihr den Umhang, als sie mit dem König zu einem Spaziergang am Fluß aufbrechen wollte.
    »Ich hätte gedacht, Ihr wäret heute vielleicht nicht gut gelaunt, Mylady.«
    Anne nahm den Umhang. »Warum?«
    »Wegen der Neuigkeiten«, sagte Jane.
    »Welche Neuigkeiten?« fragte ich anstelle von Anne.
    Jane antwortete mir, beobachtete dabei aber Anne. »Die Gräfin von Northumberland läßt sich von Henry Percy scheiden.«
    Anne taumelte kurz und wurde kreidebleich.
    »Oh!« rief ich aus, um die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. »Was für ein Skandal! Warum sollte sie sich von ihm scheiden lassen? Wie schlimm von ihr.«
    Anne hatte sich wieder in der Gewalt, aber Jane hatte gesehen, daß ihr die Sache nicht gleichgültig war. »Nun«, meinte Jane mit seidenglatter Stimme, »sie sagt, die Hochzeit sei niemals rechtmäßig gewesen. Es sei vorher ein anderer Ehevertrag geschlossen worden, Percy sei die ganze Zeit mit Euch, Lady Anne, verheiratet gewesen.«
    Anne lächelte Jane an. »Lady Rochford, Ihr bringt mir wirklich außergewöhnliche Nachrichten. Und Ihr wählt dazu die seltsamsten Zeiten. Wenn die Gräfin von Northumberland in ihrer Ehe unglücklich ist, dann tut uns das sicher allen sehr leid.« Das leise Murmeln der Hofdamen zeugte eher von Neugier als von Mitgefühl. »Aber wenn sie behauptet, Henry Percy sei mit mir verheiratet, dann ist das einfach eine Lüge. Doch jetzt erwartet mich der König, und Ihr haltet mich auf.«
    Anne band sich den Umhang selbst zu und rauschte aus dem Zimmer. Zwei oder drei Damen folgten ihr. Die anderen scharten sich um Jane Parker, um weitere skandalöse Einzelheiten zu erfahren.
    |409| »Jane, ich bin sicher, der König würde es gern sehen, wenn auch Ihr Lady Anne begleitet«, sagte ich gehässig.
    Widerwillig folgte sie Anne, und die anderen taten es ihr nach.
    Ich rannte mit hochgerafften Röcken in die Gemächer meines Onkels.
     
    Er saß an seinem Schreibtisch, ein Schreiber nahm sein Diktat auf. Mit einer Geste bedeutete er mir, ich solle warten.
    »Was ist?« fragte er dann. »Ich habe zu tun. Ich habe gerade erfahren, daß Thomas More über die Klage des Königs gegen die Königin gar nicht glücklich ist. Ich hätte nicht erwartet, daß ihm die Angelegenheit gefallen würde, aber doch gehofft, daß sein Gewissen es verkraften könne. Ich würde tausend Kronen dafür geben, Sir Thomas More nicht öffentlich gegen uns zu haben.«
    »Es ist etwas anderes«, sagte ich. »Aber es ist wichtig.«
    Onkel winkte den Schreiber aus dem Zimmer.
    »Anne?« fragte er knapp.
    Ich nickte. »Jane Parker hat gerade berichtet, daß die Gräfin von Northumberland die Scheidung von Henry Percy betreibt«, sprudelte ich hervor. »Sie behauptet, er habe vorher einen Ehevertrag mit Anne abgeschlossen.«
    »Verdammt«, fluchte mein Onkel.
    »Wußtest du es?«
    »Natürlich wußte ich, daß sie dergleichen vorhatte. Aber ich dachte, sie würde auf böswilliges Verlassen, seelische Grausamkeit, Unzucht oder sonst etwas plädieren. Ich dachte, wir hätten sie von der Sache mit dem vorherigen Ehevertrag abgebracht.«
    »Wir?«
    Er schaute mich grimmig an. »Wir. Wer das ist, ist doch wohl gleichgültig, oder?«
    »Ja.«
    »Und woher weiß es Jane?« fragte er gereizt.
    »Oh, Jane weiß alles. Sie hat gestern abend an Annes Tür gelauscht.«
    |410| »Was hätte sie da hören können?« wollte er wissen.
    »Nichts«, erwiderte ich standhaft. »George war da, und wir haben nur geredet und ein Glas Wein getrunken.«
    »Niemand außer George?« fragte er scharf.
    »Wer denn sonst?«
    »Das frage ich dich.«
    »Ihr zweifelt doch wohl nicht an Annes Keuschheit.«
    »Sie verbringt ihr ganzes Leben damit, Männer zu umgarnen.«
    Nicht einmal ich konnte diese ungerechte Bemerkung unwidersprochen lassen. »Sie umgarnt den König, weil Ihr es befohlen habt.«
    »Wo ist sie jetzt?«
    »Mit dem König im Garten.«
    »Geh sofort zu ihr, und sage ihr, sie soll die Geschichte mit Henry Percy rundweg leugnen. Es

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