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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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den Armen halten.«
    »Pst«, flüsterte ich. »Helft mir in den Sattel.«
    Ich hatte gedacht, wenn ich da oben säße, außerhalb seiner Reichweite, wären meine schwachen Knie und der Schwindel in meinem Kopf nicht mehr so wichtig. Ich kam irgendwie in den Sattel, legte mein Bein um den Sattelknauf und ordnete mein Reitkleid. Er zog den Saum gerade und umfaßte meinen Fuß mit der Hand. Mit entschlossener Miene schaute er zu mir auf.
    »Ihr müßt mich heiraten«, sagte er schlicht.
    Ich sah mich um, blickte auf den üppigen Reichtum des Hofstaats, auf die wehenden Federn an den Hüten, auf die Seide und den Samt – alle waren sie wie die Prinzen gekleidet, selbst für einen Tag im Sattel. »Das hier ist mein Leben«, versuchte ich ihm zu erklären. »Es ist seit meinen Kindertagen mein Zuhause. Zuerst am französischen Hof, jetzt hier. Ich habe nie in einem gewöhnlichen Haus gelebt, nie ein ganzes Jahr im gleichen Zimmer verbracht. Ich stamme aus einer Familie von Höflingen. Ich kann nicht auf Befehl die Frau eines Landedelmanns werden.«
    Hörnerschall erklang, und der König trat lächelnd an Annes Seite aus dem Schloßtor. Ihre flinken Augen überflogen den Hof, und ich zog William rasch meinen Fuß weg und erwiderte ihren Blick mit einem nichtssagend unschuldigen Lächeln. Man half dem König aufs Pferd, er saß einen Augenblick schwer schnaufend im Sattel, griff dann die Zügel und war bereit. Alle mußten sich jetzt schnell aufs Pferd schwingen.
    »Kommt Ihr nicht mit?« fragte ich William Stafford.
    »Wollt Ihr das denn?«
    Langsam verließen die Reiter den Hof, drängten sich im Torbogen.
    »Besser nicht. Mein Onkel ist heute mit dabei. Ihm entgeht nichts.«
    William trat zurück, und ich sah, wie das Leuchten in seinen Augen erlosch. »Wie Ihr wollt.«
    |426| Wie gern wäre ich jetzt vom Pferd gesprungen und hätte das Lächeln wieder auf sein Gesicht geküßt. Aber er verneigte sich und trat einen Schritt zurück, lehnte sich an eine Mauer und schaute zu, wie ich fortritt. Er rief mir nicht einmal mehr zu, wann er mich wiedersehen könnte. Er ließ mich einfach ziehen.

|427| Herbst 1532
    In Windsor Castle wurde Anne mit dem Pomp einer Krönung im Audienzgemach des Königs als Marquis von Pembroke eingeführt. Henry saß auf dem Thron, flankiert von meinem Onkel und Charles Brandon, dem Herzog von Suffolk, den man unlängst begnadigt hatte und der gerade rechtzeitig zum Hof zurückgekehrt war, um Annes Triumph mitzuerleben. Suffolk sah aus, als habe er auf eine Zitrone gebissen, so säuerlich war sein Lächeln, und mein Onkel konnte sich nicht entscheiden, ob er sich über den Reichtum und das Prestige seiner Nichte freuen oder über ihre Arroganz ärgern sollte.
    Anne trug ein rotes Samtkleid, das mit weißem Hermelin verbrämt war. Ihr Haar war dunkel und glänzend. Lady Mary, die Tochter des Herzogs, brachte die Staatsrobe, und wir anderen Hofdamen hatten uns alle herausgeputzt und standen schweigend hinter ihr, während der König Anne die Staatsrobe um die Schultern legte und ein goldenes Krönchen auf den Kopf setzte.
    Beim Festessen saßen George und ich nebeneinander und blickten zu unserer Schwester, die neben dem König Platz genommen hatte.
    George fragte mich nicht, ob ich neidisch sei. Die Antwort darauf war zu offensichtlich, als daß er sich noch hätte erkundigen müssen. »Ich kenne keine andere Frau, die das geschafft hätte«, meinte er. »Sie ist wild entschlossen, auf den Thron zu gelangen.«
    »Das war ich nie«, sagte ich. »Von Kindesbeinen an wollte ich nur eines, nicht übersehen werden.«
    »Nun, das kannst du jetzt vergessen«, erwiderte George mit brüderlicher Offenheit. »Man wird dich von nun an bis an dein Lebensende übersehen. Wir werden beide nichts mehr |428| zählen. Alles, was ich zuwege bringe, wird als ihr Geschenk gelten. Du wirst niemals an sie heranreichen. Sie ist die einzige Boleyn, an die man sich erinnern wird. Du wirst für immer ein Niemand bleiben.«
    Es war das Wort »Niemand«. Kaum war es ausgesprochen, da schmolz all meine Bitterkeit dahin, und ich lächelte. »Weißt du, vielleicht ist es ja eine Freude, ein Niemand zu sein.«
     
    Wir tanzten bis spät in die Nacht hinein, und dann schickte Anne alle Damen außer mir zu Bett.
    »Ich gehe zu ihm«, sagte sie.
    Sie brauchte mir nicht zu erklären, was sie damit meinte. »Bist du sicher?« fragte ich. »Du bist immer noch nicht verheiratet.«
    »Cranmer wird jetzt sehr bald in sein Amt eingeführt

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